An Herrn von Humbracht nach einem Ungewitter

[35] (zu Magdeburg den 5ten des Herbstmonats 1762.)


O Freund drey Ungewitter hiengen

Herunter drohend über mir;

Doch konnt ich unerschüttert singen:

Gott, du bist groß! dich loben wir!


Er fuhr auf Wolken. Schrecklich rollten

Die Räder seines Wagens fort

Und Donner, die uns tödten sollten,

Erwarteten sein leztes Wort.


Gluth flog von seinem Angesichte

Rund um ihn her, als säße schon,

Zum feyerlichen Weltgerichte,

Der Richter, auf dem Wolken Thron.
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Die Frommen beteten entgegen;

Furcht nahm das Herz des Sünders ein.

So zittern Sclaven vor den Schlägen

Des Herren, den sie sonst nicht scheun.


So stürzet, bey empörter Welle

Der rohe Schiffmann auf das Knie;

Und so fällt, an des Grabes Schwelle

Der Frey-Geist in Melancholie.


Der jüngsten Gattin, weiches Herze,

So sanft wie Blumen auf der Flur,

Erstaunte vor der Wolken Schwärze

Und fühlte Schrecken der Natur.


In ihres Freundes Arm geschlossen,

Verseufzte sie die Furcht, und lag

An seiner Brust, als Strahlen schossen,

Und Nacht verwandelten in Tag;
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Als wieder uns mit Kriegs-Gerüste

Die Ober-Welt bewafnet schien,

Und Babylons, und Tyrus Lüste,

Aus Magdeburg, gen Himmel schrien.


Doch stärker, als des Frevlers Sünde,

War des Gerechten Bittgeschrey.

Gott sprach! da führten Wirbelwinde

Den Donnerwagen schnell vorbey.


Er fuhr herauf, und ihm entgegen

Lobjubelte der weite Raum;

Und auf uns träufelte nur Seegen

Herab von seines Kleides Saum.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 35-38.
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