An die Mütter des reisenden Chur- und liefländischen Adels

[90] Edle Mütter, die ihr eure Seelen

Oft zu reisenden Söhnen gesandt,

Laßt euch bey der Wiederkunft erzählen,

Welches Fürstengehorchende Land

Ihnen am besten gefallen,

Welche Königsstadt[91]

Unter den Königsstädten allen

Ihre größte Bewunderung hat?

Und sie werden euch sagen,

Daß Berlin den Preis

Ganz davon getragen.

O! der Künsteverfeinende Fleiß

Strebet hier unter dem Schutze des Weisen

Nach dem Gipfel der Vollkommenheit!

Eure Kinder werden alles preisen.

Meine Liederfähigkeit

Ist zu klein, die Wunder zu beschreiben,

Die nur eine Kunst enthält. –

Ewig groß wird Katharina bleiben

Bey der Heldenbewundernden Welt –

Ewig schön, und ewig aufbehalten

Das Geschenke Friedrichs von Berlin.[92]

Bleiche zitternde Gestalten,

Ueberwundner Ottomannen knien

Vor dem Porcelaingemachten Throne,

Weiß, wie ein gefallner Schnee;

Und in ernster Grazie

Unter einer Lorberkrone

Blickt die Kaiserinn umher;

Auf dem köstlichen Tafelgeschirre

Flammt das brennende Meer,

Fliehn die Türken, in der Irre

Liegen sie vor den Siegern gestreckt,

Mit lebendigen Farben gemahlt,

Werden die Grauen des Todes entdeckt,

Und die Thaten der Reußen erzählt.

Unnachahmliche Thaten des Krieges,

Dem kein römischer glich,[93]

Als vor helfenden Göttern des Sieges

Mithridat von Wald zu Walde wich –

Und die fürchterlichen Hanniballen

Und das stolze Karthago zuletzt

Vor dem römischen Muthe gefallen,

Der Freyheit höher, als Leben geschätzt.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Gedichte von Anna Louisa Karschin, geb. Dürbach. Berlin 1792.
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