Auf die Geburt der Königinn

Charlotte von Großbritannien

[62] Ja Klio redet oft mit liederreichem Munde

Selbst Jupiters Gedanken nach;

Sie sagte mir, was in Charlottens erster Stunde

Die göttliche Lucina sprach.


Willkommen, Tochter, dich wird Pallas unterweisen!

Heil dir, beglücktgebohrnes Kind,

Dich wird die größeste der Nationen preisen,

Die vom Neptun beschützet sind.
[63]

Ihr König wird aus deinem kleinen Vaterlande

Dich übers Meer zum Throne ziehn,

Und Hymen knüpfte nie so diamantne Bande,

Als zwischen deiner Hand und ihn.


Dich wird in seinem Arm Saturnia beneiden;

Denn du bist seliger als sie.

Du wirst geliebt, du schmeckst der Liebe süße Freuden,

Und ihre Quaalen kennst du nie.


Von allen Müttern, die der Erde Fürsten geben,

Wirst du die glücklichste genannt;

Ein ganzer Heldenkreiß bekömmt von dir das Leben

Und wächset an Minervens Hand.


Auch hilft die Gütigkeit der sanften Charitinnen,

Dir schöne Töchter auferziehn:

Sie werden einst als junge Königinnen

Dem mütterlichen Arm entfliehn.
[64]

Durch deren hohen Reiz und Schönheit du Georgen,

Der freyen Britten besten Fürst,

Noch immer fesselst, wenn du, wie ein Wintermorgen,

Weiß um die Schläfe bist.


Von eurer Eintracht und Geselligkeit bewogen,

Ahmt Albion euch nach, und macht,

Daß Amor niemals mehr mit schlaugespannten Bogen

Des Ehegottes lacht.


So sprach die Göttin itzt; und ihr, ihr holden Töchter

Des meerumfloßnen Albions,

Ihr edlen Söhne tausendjähriger Geschlechter,

Liebt diesen Schmuck des Throns!


Liebt diese Königinn mit Zärtlichkeit und tretet

In ihrer Tugend Fußtritt früh;

Und ihr Matronen und ihr grauen Männer betet

Aus Liebe gern für sie.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Neue Gedichte, Mietau und Leipzig 1772, S. 62-65.
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