Das Versprechen eines Mannes

an seine kranke Frau

[75] Der Jungfer Fethackin erzählt im Stahlschen Hause.


Mepsantus gieng zu seinem Weibe,

Die mit geschwollnem kranken Leibe

Schon manche Nacht und manchen Tag

Auf einem bangen Bette lag;

Sie seufzte: Schatz, bey meinem bittern Leiden

Will mir der Arzt die Schenkel noch zerschneiden;

Die Waden sind schon wundenvoll

Vom spanschen Fliegenbisse,

Und ach, der böse Doctor sagt,

Daß ich den Schnitt noch überstehen müsse.

Bin ich nicht schon genug geplagt?

Was aber thut man nicht sein Leben zu erhalten?[76]

Hier nahm der freundliche Mepsant

Die kranke Gattinn bey der Hand,

Und bat sie, lasse dir die Schenkel nicht zerspalten!

Die Aerzte martern nur den schwachen Körperbau,

Der wie der Tag hat abgenommen.

Stirb lieber, stirb geschwind, o meine gute Frau,

Ich schwöre dir bald nachzukommen.

Er sprachs, und seine Kranke litt

Kein Wasserzapfen, keinen Schnitt;

Sie quälte sich noch sieben Wochen,

Und starb, und endete die Noth.

Doch, Freundinn, kurz darauf erschien der blasse Tod

Dem Mann im Traum, und sprach:

Mepsant, du hast versprochen,

Der lieben Frau bald nachzugehn;

Hast du den Tag schon auserlesen?[77]

Ich werde keinen Spaß verstehn.

Tod, rief Mepsant, es ist ja nicht mein Ernst gewesen,

Ich wollte nur das Doctorlohn,

Das viele Geld ersparen.

Ich bin ein muntrer Mann von zwey und vierzig Jahren,

Und wünsche mir nichts weniger, als schon

Dem Weibe nachzufahren.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Neue Gedichte, Mietau und Leipzig 1772, S. 75-78.
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