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[108] Zwölf hat's geschlagen – warum denn Mittag?

Vielleicht der Mitternacht ja galt der Schlag,

Daß oben nun die stillen Sterne gehn;

Ich weiß es nicht, ich kann es ja nicht sehn!
[108]

Ha, Mitternacht! Ein heller Hoffnungsstrahl!

Der nächtlich schon so manches Grab bestahl:

Der Totengräber schleicht nun wohl herbei

Und macht erschrocken mich Lebend'gen frei! –


Doch was für Kleinod sollt er suchen hier?

Er weiß zu gut: er findet nichts bei mir!

Ein golden Ringlein nun erlöste mich –

Du bittre Armut, jetzt verfluch ich dich!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 108-109.
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