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[26] Der Lenz ist da, die Lauine fällt,

Sie fällt mit Tosen und Brausen ins Tal!

Ich habe mein Hüttlein daneben gestellt

Auf grünende Matte am sonnigen Strahl!


Und wenn die Lauine mein Hüttlein trifft

Und niederreißet mit donnerndem Lauf,

Sobald wieder trocken die Alpentrift,

Bau ich ein neues mir singend auf!


Doch wenn einst in meines Landes Bann

Erstarrend die Laue der Knechtschaft fällt,

So zünd ich die hölzerne Hütte an

Und ziehe hinaus in die weite Welt!


Denn lieber gepeitscht in Sibirien sein

Als Herrendiener im Vaterland!

Und lieber mich fremden Tyrannen weihn

Als meiner eigenen Heimat Schand!

Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 26.
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