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Ein Fischlein steht im kühlen Grund,

Durchsichtig fließen die Wogen;

Und senkrecht ob ihm hat sein Rund

Ein schwebender Falk gezogen.


Der ist so klein und fern zu sehn,

Ein Punkt im blauen Dome;

Er sieht das Fischlein ruhig stehn,

Glänzend im tiefen Strome.


Und dieses auch hinwieder sieht

Ins Blaue durch seine Welle –

Ich glaube gar, die Sehnsucht zieht

Eins an des anderen Stelle!
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Wenn man so frei, so kühl, so hoch

Wie ein Fisch oder Falk kann schweben,

Dann ist am End dies Sehnen noch

Der beste Teil am Leben!


Doch wer mit lahm gebognem Knie

Wie ein Wurm im Staub muß liegen,

Der zähme seine Phantasie,

Lern' schwimmen erst oder fliegen!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 33-34.
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