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[81] Du willst dich freventlich emanzipieren

Und aufstehn wider mich mit keckem Sinn,

Aufs eigne Fäustchen deine Wirtschaft führen,

Du schöne kleine Jakobinerin?


Zur Politik nun auch dein Wörtlein sagen,

Aus trauter Kammer in den Ratsaal fliehn?

Wohl gar mit weicher Hand die Trommel schlagen,

Wann einst wir gegen die Tyrannen ziehn?
[81]

Berufest dich auf meine eignen Lehren

Von Freiheit, Gleichheit und von Menschenrecht?

O laß, mein Kind, mit Küssen dich bekehren,

Dies eine Mal errietest du mich schlecht!


Mir, mir, mein Schatz! mußt du dich nun verpflichten,

Dein Liebster und dein Herr ist für dich frei!

Auf ihn sollst du die blauen Augen richten,

Daß er allein dein siegreich Banner sei!


Die Ketten all, von denen ich entbinden

Die Völker möchte, o Geliebte mein!

Als Blumenketten eng dir umzuwinden

Soll einzig dann mein Tun und Trachten sein!


Ein fest Gefängnis will ich dir erbauen

Von Rosen, Lilien, Myrten, duftend, weich;

Draus sollst du nur des Himmels Sterne schauen

Und mich, den Kerkermeister, froh und reich.


Ich will zur Kurzweil süße Lieder singen,

Darinnen du dich lachend spiegeln magst;

In Liedern dir die Welt zu Füßen bringen,

Wenn über Einsamkeit du dich beklagst.


Doch wann die lieben Nachtigallen schlagen

Und wann das Abendrot verglommen ist:

Sollst du als Königin die Krone tragen,

Solange Luna ihre Bahn durchmißt!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 81-82.
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