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[74] Es bricht aus mir ein bunter Faschingszug

Und zieht dahin mit tönendem Gepränge;

Talüber wallt im luftigen Gedränge

Ein Bilderreigen, mein Gedankenflug!


Wie spielend sie die Luft hinübertrug,

So ranken sich, ein üppig Laubgehänge,

Bis auf zum Giebel, meine Nachtgesänge

Rings um ihr Haus, ein zauberischer Trug!


Es rauscht und schwillt und bricht ins Schlafgemach

Und singt und klingt die reine Seele wach,

Betäubt tritt sie in meine Blumenschlingen!


Nun ist es Zeit, mein Herz! mach dich hinzu!

Nachtwandelnd weiß sie's nicht und lauscht in Ruh:

Kannst alles, alles ihr zu Ohren bringen!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 74.
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