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Es ist nicht Selbstsucht und nicht Eitelkeit,

Was sehnend mir das Herz grabüber trägt;

Ich glaub, was mir die schöne Brücke schlägt,

Ist wohl der Stolz, der mich vom Staub befreit.
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Sie ist so kurz, die grüne Erdenzeit,

Unendlich aber, was den Geist bewegt!

's muß wenig sein, was ihr im Busen hegt,

Da ihr hier gar so satt vergnüglich seid.


Und wenn auch einst die Freiheit ist errungen,

Die Menschheit hoch wie eine Rose blüht,

Auch nicht vom kleinsten Dorne mehr umschlungen:


So ist's ein Funke nur, der ärmlich sprüht,

Vom Feuer der Unsterblichkeit bezwungen,

Das in des Kindes kleinem Herzen glüht.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 59-60.
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