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Wenn ein Poet ein Stück vom ew'gen Leben

Im Herzen trägt schon hier als Morgengabe,

Wenn in Verklärung alle Dinge schweben,

Die er berührt mit seinem Zauberstabe,


Und er den Blick nach dem, was überm Grabe,

Unsterblichkeitgetränkt, nicht mag erheben:

Oh, was er auch im Rausch gesungen habe –

Euch soll es drum kein gültig Zeugnis geben.


Wenn, sonnend sich auf seinem Maienthron,

Buntschillernd eine Schlange sich erhebt,

So ist sie mit den Blumen Poesie:


Jedoch der Atheist von Profession,

Der nur vom Atheismus-Knochen lebt,

Ist eine eingefleischte Blasphemie.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 60.
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