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Was ist es an der Zeit?

[47] 1

Im Mittagsglast, auf des Gebirges Grat,

Schlief unter alten Fichten müd ich ein;

Ich schlief und träumte bis zum Abendschein

Von leerem Hoffen und verlorner Tat.


Schlaftrunken und verwirrt erwacht ich spat.

Gerötet war des Urbergs hart Gebein,[47]

Gerötet seiner Lenden Busch und Stein,

Der Himmel war wie eine blut'ge Saat!


Mir aber schien der Tag nun aufzugehn;

Ich hielt die Glut für lichtes Morgenrot

Und harrte auf der Sonne Auferstehn.


Doch Berg um Berg versank in Schlaf und Tod,

Die Nacht stieg auf mit graulich stillem Wehn,

Und mir im Herzen war es kalt und tot!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 47-48.
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