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In der Stadt

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Wo sich drei Gassen kreuzen, krumm und enge,

Drei Züge wallen plötzlich sich entgegen

Und schlingen sich, gehemmt auf ihren Wegen,

Zu einem Knäul und lärmenden Gedränge:


Die Wachtparad' mit gellen Trommelschlägen,

Ein Hochzeitzug mit Geigen und Gepränge,

Ein Leichenzug klagt seine Grabgesänge –

Das alles stockt, kein Glied kann sich mehr regen.


Verstummt sind Geiger, Pfaff und Trommelschläger,

Der dicke Hauptmann flucht, daß niemand weiche,

Gelächter schallet aus dem Hochzeitzug.


Doch oben auf den Schultern schwarzer Träger

Starrt in der Mitte kalt und still die Leiche

Mit blinden Augen in den Wolkenflug.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 48-49.
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