4. Pietistenwalzer

[130] Nun stimmet die Harfen und salbet die Geigen

Und gebt euch die Händlein zum himmlischen Reigen,

Ein Weiblein, ein Männlein,

Ein Hühnlein, ein Hähnlein,

Je zwei und zwei, wie sich's am besten schickt

Und man sich am frömmsten zu Herzen drückt.


Sind alle da? Ei, so verschließet den Himmel,

Laßt draußen das sündige Pack und Gewimmel,

Verberget die Kniffe,

Die lüsternen Griffe,

Wir haben den Geist uns zu Fleische gemacht

Und feiern subtil die urewige Nacht!


Zu wecken die schlaffen, wollüstigen Gluten,

Bestreicht uns der Satan den Hintern mit Ruten;

Die heilige Völle

Durchwürze die Hölle!

Nun löschet die Lichter von ungefähr;

Das Töchterlein tanzt mit dem Missionär!


O süßliches Grunzen, o seliges Dunkel,

Begehrliches Suchen und tappend Gemunkel!

Mich fasset ein Schwindel!

Bacchantisch Gesindel!

O heilige, himmlische Windbeutelei –

Hinschmelz ich und sied ich im seligsten Brei!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 130-131.
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