11. Wie glänzt der helle Mond

[342] Wie glänzt der helle Mond so kalt und fern,

Doch ferner schimmert meiner Schönheit Stern!


Wohl rauschet weit von mir des Meeres Strand,

Doch weiter hin liegt meiner Jugend Land!


Ohn Rad und Deichsel gibt's ein Wägelein,

Drin fahr ich bald zum Paradies hinein.


Dort sitzt die Mutter Gottes auf dem Thron,

Auf ihren Knien schläft ihr sel'ger Sohn.


Dort sitzt Gott Vater, der den Heil'gen Geist

Aus seiner Hand mit Himmelskörnern speist.


In einem Silberschleier sitz ich dann

Und schaue meine weißen Finger an.


Sankt Petrus aber gönnt sich keine Ruh,

Hockt vor der Tür und flickt die alten Schuh'.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 342-343.
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