9. Das Köhlerweib ist trunken

[341] Das Köhlerweib ist trunken

Und singt im Wald;

Hört, wie die Stimme gellend

Im Grünen hallt!


Sie war die schönste Blume,

Berühmt im Land;

Es warben Reich' und Arme

Um ihre Hand.


Sie trat in Gürtelketten

So stolz einher;

Den Bräutigam zu wählen

Fiel ihr zu schwer.
[341]

Da hat sie überlistet

Der rote Wein –

Wie müssen alle Dinge

Vergänglich sein!


Das Köhlerweib ist trunken

Und singt im Wald;

Wie durch die Dämmrung gellend

Ihr Lied erschallt!

Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 341-342.
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