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[278] Ich fühlte wohl, warum ich dich,

O teures Weib! so sehr geliebt,

So stark, so wahr, so inniglich,

So ohne Wahn geliebt!


Ich fühlt es wohl und weiß es nun

Und weiß, welch große Seligkeit

Muß tief in deinem Herzen ruhn

Für den, dem es geweiht!


Ich sah nun in dein goldnes Herz

Wie in den Hort im tiefsten Rhein;

Ich sah mit wundersüßem Schmerz

In einen Himmel tief hinein!


Ich schaute, und mir ward so weh,

So wohl und weh bei meinem Schaun,

Als blickt ich durch die grüne See

Hinab auf lenzbesonnte Aun!


Ich ward so arm und doch so reich,

Zum stolzen Wissen mein Verlust!

Und in dem Elend lag zugleich

Der Balsam für die wunde Brust.


Und besser ging ich, als ich kam,

Von reinem Feuer neu getauft,

Und hätte meinen reichren Gram

Nicht um ein reiches Glück verkauft!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 278-279.
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