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[279] Flackre, fernes Licht im Tal,

Durch die Nacht mit leisem Blinken:

Noch vor Morgen wird dein Strahl

Endlich in sich selbst versinken!


Rausche, singe, schöner Fluß!

Dein Gesang wird fortbestehen;

Aber jede Welle muß

Endlich doch im Meer vergehen.


Nachtviolen, süß und stark

Duftet ihr durch diese Lauben;

Oh, wie wißt das feinste Mark

Ihr der Erde schnell zu rauben!


Von der warmen Nacht geküßt,

Wißt ihr schnell es auszuhauchen,

Eh ihr selber wieder müßt

Eure Köpflein untertauchen!


Aus dem tiefen blauen Raum

Perlt ihr leuchtend, goldne Sonnen,

Kommt und schwindet, wie ein Traum;

Doch gefüllt bleibt stets der Bronnen.


Und nur du, mein armes Herz,

Du allein willst ewig schlagen,

Deine Lust und deinen Schmerz

Ewig durch die Himmel tragen?


Andre Blumen, andre Wellen,

Andre Sterne, andre Herzen,[280]

Andre Freuden, andre Schmerzen

Werden unerschöpflich quellen


Und, eh wir noch gar verglommen,

Ganz uns auszulöschen kommen.

Ewig ist, begreifst es du,

Sehnend Herz? nur deine Ruh!

Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 279-281.
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