13. Kapitel
Jesus Christus, dein Vorbild in Demut und Gehorsam.

[105] 1. Der Herr: Mein Sohn! Wer gern das Band des Gehorsams auflösen möchte, der löst auch das Band der Gnade auf. Und, wer Eigenes haben will, der verliert das Gemeinsame. Wer seiner Obrigkeit nicht gern und willig gehorcht, der beweist, daß ihm seine sinnliche Natur noch nicht vollkommenen Gehorsam leistet, sondern oft wider ihren Herrn murrt und ausschlägt. Lerne also dich flugs deinem Oberen unterwerfen, wenn du dein Fleisch unter das Joch bringen willst. Denn dein äußerer Feind wird bald in Ordnung gebracht sein, wenn in deinem inneren Menschen keine Unordnung herrscht. Dein schlimmster und lästigster Feind bist du selbst, wenn du dich mit dem heiligen Gesetze deines Geistes entzweist. Du mußt also dich selbst wahrhaft verschmähen lernen, wenn du über Fleisch und Blut Herr werden willst. Weil du dich selbst wider alle Ordnung so unsinnig liebst,[105] sträubt sich dein Wille so sehr, einem fremden Willen sich vollkommen zu unterwerfen.

2. Aber was ist es denn Großes, wenn du, Staub und Nichts vor mir, um Gottes willen dich einem anderen Menschen unterwirfst, nachdem ich, der Allmächtige, der Allerhöchste, der alle Dinge aus dem Nichts geschaffen hat, mich um des Menschen willen demütig dem Menschen unterworfen habe? Ich bin der Allerniederste und Allerletzte geworden, um durch meine Demut deinen Stolz zu brechen.

Lerne gehorsam sein, du Erdenstaub! lerne dich erniedrigen, denn du bist aus Staub und Lehm gemacht! lerne dich unter alle Sterblichen erniedrigen. Lerne deinen Eigenwillen brechen und gern gänzlich untertänig sein.

3. Laß einen heiligen Eifer in dir wider dich entbrennen, laß den aufblähenden Stolz in dir nicht Leben gewinnen. Sei so klein in deinen Augen und so willig zum Gehorsam, daß jeder Pilger über dir einhergehen und jeder Fuß dich wie Gassenkot zertreten kann.

O Mensch, du unstetes, eitles Ding, worüber hast du denn zu klagen? Ein schmutziger Sünder, wie darfst du wider die, die dich schmähen, deinen Mund auftun, du, der du wider deinen Gott so oft gesündigt und dich der Höllenstrafe so oft schuldig gemacht hast? Aber sieh! schonend blickte mein Vaterauge auf dich hinab, weil dein unsterblicher Geist in meinen Augen köstlich ist. Schonend blickte mein Vaterauge auf dich hinab, damit du meine Liebe doch einmal erkennen und im Dankgefühle für meine Wohltaten wahre Demut und wahren Gehorsam beweisest und die Verachtung mit Geduld trägst.[106]

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 105-107.
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