38. Kapitel
Von der guten Herrschaft im Äußeren und der Zuflucht zu Gott in Gefahren.

[145] 1. Der Herr: Mein Sohn, danach mußt du mit allem Fleiße trachten, daß du überall und in allem, was du tust, in jedem[145] äußeren Werke, bei dir im Innersten zu Hause bist, frei und deiner mächtig; daß alle Dinge unter dir sind, und du nicht unter ihnen; daß du der Herr und der Regent deiner Handlungen bist und nicht ihr Knecht und ein Sklave; daß du ein rechter Hebräer wirst, der aus dem Lande der Sklaverei schreitet in das Land der Freiheit, das die Kinder Gottes besitzen. Sie stehen auf der Gegenwart wie auf einem Fußschemel und schauen in die Ewigkeit hinüber; tun auf das Vergängliche nur Seitenblicke und sehen voll auf das Himmlische; lassen das Zeitliche nicht über ihre Neigungen herrschen, daß sie demselben dienten, sondern beherrschen vielmehr das Zeitliche, daß es ihnen diene zu dem Ende, wozu es Gott, der höchst Werkmeister, bestimmt und geordnet hat, der in seinen Werken nichts ungeordnet ließ.

2. Wenn du in dem, was um dich her geschieht, nicht bei dem äußeren Scheine stehen bleibst und das, was du siehst und hörst, nicht nach den fünf Sinnen richtest, sondern bei jedem Vorfalle sogleich mit Moses in die Stiftshütte hineingehst und den Herrn um Rat fragst, so wirst du manchmal eine göttliche Antwort hören und über Gegenwart und Zukunft wohl belehrt wieder herausgehen können. Denn Moses (2. Mos. 33, 9) ging in allem, was ihm dunkel und zweifelhaft war, zur Stiftshütte und nahm in allen Gefahren und bei aller Bosheit gottloser Menschen seine Zuflucht zum Gebet. So mußt du dann auch in die geheimste Kammer deines Herzens gehen und darin mit gesammelter Kraft um Gottes Rat und Hilfe flehen. Denn deswegen konnten Josua und die Kinder Israels von den Gabaoniten betrogen werden, weil sie den Mund des Herrn zuvor nicht um Rat gefragt hatten und zu leichtgläubig durch die süßen Worte sich betören, durch die scheinbare Rechtschaffenheit sich blenden ließen.[146]

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 145-147.
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