44. Kapitel
Daß man die äußeren Dinge sich nicht zu nahe an sein Herz ziehen soll.

[153] 1. Der Herr: Mein Sohn, lerne in vielen Dingen nichtswissen und dich als einen Toten auf Erden und als einen, dem die ganze Welt gekreuzigt ist, ansehen. Oh, man muß vieles, das an unser Ohr anschlägt, nicht hören können, als[153] wenn man taub wäre, und dafür Sinn und Verstand mehr auf das richten, was das Herz des Menschen ruhig macht und ruhig hält! Es ist besser, beide Augen vor mißfälligen Dingen zu schließen, und einen jeden bei seinem Empfinden zu lassen, als im ewigen Zank und Streit mit dem Nachbarn zu leben. Wenn du gut mit Gott stehst und nach seinem Ausspruch dich richtest, so wirst du es ganz erträglich finden, überwunden dazustehen.

2. Der Mensch: Oh, Herr, wie tief sind wir gesunken!

Der Herr: Sieh! ein zeitlicher Verlust wird mit heißen Tränen beweint; um eines unbedeutenden Gewinnes willen arbeitet und läuft man sich müde; und, wenn der Geist Schaden genommen hat, das verliert sich sogleich aus dem Gedächtnis und man mag es nach vielen Jahren kaum einmal wieder zu Herzen fassen. Was nichts oder äußerst wenig nützt, darauf richtet man die erste Aufmerksamkeit, und was das Erste und das Allein-notwendige ist, das wird, wie nichts, außer acht gelassen. Und dies alles, weil der Mensch sich so gern in Dingen außer sich verliert und, wenn er nicht noch beizeiten seinen Sinn ändert, in Dingen außer sich mit Herzenslust versinkt, und, wenn er einmal versunken ist, auch liegen bleibt.

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 153-154.
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