12. Kapitel
Unglück nützt uns viel.

[23] 1. Daß uns Dinge begegnen, die uns lästig und durchaus zuwider sind, das ist für uns sehr gut. Denn sie treiben den Menschen wieder in sein Herz hinein, daß er es fühlen lernt, daß er hier nicht in seinem Vaterlande ist, und daß er seine Hoffnung auf kein Gut dieser Welt gründet. Es ist gut, daß wir Widerspruch erfahren, und daß manche Menschen recht böse von uns denken und reden, ob wir gleich rechttun und beim Rechttun gute Absichten haben. Das sichert unsere Demut und bewahrt uns vor dem Zauberdunst eitlen Ruhmes. Gerade zur Zeit, wo uns die Menschen in der Öffentlichkeit als schlechte Leute ausschreien und uns nichts Gutes mehr zutrauen, gerade da werden wir weit mehr als sonst gedrängt,[23] Gott als den Einen Zeugen, der unser Innerstes kennt, aufzusuchen.

2. Eben deswegen sollte der Mensch sich ganz und fest an Gott allein halten, daß er es nicht nötig hätte, viel Trost bei den Menschen zu suchen. Wenn ein Mensch geplagt oder angefochten oder von bösen Gedanken umhergetrieben wird, dann leuchtet es ihm helle ein, und heller als sonst, daß ihm Gott unentbehrlich ist, und daß er ohne ihn nichts Gutes vermag. Dann fühlt er nichts als lauter Traurigkeit, dann seufzt und betet er wegen der Plagen, die er erdulden muß. Dann wird er seines Lebens überdrüssig und sähe es gern, daß der Tod käme und die Bande des Leibes löste und ihn zu Christus heimbrächte. Dann lernt er wohl verstehen, daß vollkommene Sicherheit und vollkommener Friede hier auf Erden nicht zu haben ist.

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 23-24.
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