12. Kapitel
Bereite dich mit allem Fleiße zur Kommunion Christi!

[218] 1. Der Herr: Ich habe die reinen Seelen lieb und ich mache sie rein. Ich suche ein reines Herz, und wo ich eines finde, da schlage ich meine Herberge auf. So bereite mir denn einen großen, wohl zugerüsteten Speisesaal, und ich will bei dir mit meinen Jüngern das Ostermahl halten. Wenn du willst, daß ich zu dir kommen und bei dir bleiben soll, so fege den alten Sauerteig aus und reinige die Wohnstätte deines Herzens. Jage die ganze Zeitlichkeit aus deinem Herzen und schließ vor der Sünde und all ihrem ungestümen, aufrührerischen Gefolge fleißig die Tür zu. Sei einsam wie der Sperling auf dem Dache und denk mit reuevollem Herzen an deine Sünden. Denn wer die Liebe hat, der bereitet für seinen geliebten Freund die reinste und schönste Wohnstätte, und eben dadurch beweist sich die Liebe dessen, der den Geliebten beherbergt.

2. Wisse aber auch dies: Aus dir selbst, und wenn bloß auf den Wert deiner Arbeit gesehen würde, könntest du die würdige Vorbereitung nie vollenden, selbst wenn du dich ein ganzes Jahr vorbereitetest und nichts anderes in Sinn und Herzen hättest. Es ist doch immer meine Gnade und Milde allein, die dir den Zugang zu meinem Tische öffnet. Es ist im Grunde nichts anderes, als wenn ein Bettler, von einem reichen, guten Manne zum Gastmahl geladen, diese Wohltat nicht anders zu vergelten weiß, als daß er im Gefühl der Demut ißt und dankt und wieder dankt.

Tu was an dir ist, und tu es mit aller Treue; den Leib deines Herrn, deines Gottes, der in Gnade zu dir kommt, empfange nicht aus Gewohnheit, nicht aus Zwang, sondern in heiliger Ehrfurcht, Anbetung und Liebe. Ich bin's, der dich gerufen hat; ich bin's, der dir das Gebot auferlegt hat; ich will alles das, was dir mangelt, ersetzen. Komm, empfange mich![218]

3. Wenn ich dir die Gabe der Andacht schenke, so danke deinem Gott, nicht für deine Würdigkeit, sondern für mein Erbarmen. Hast du die Andacht nicht und fühlst dich trocken und dürr, so halt im Gebet an, seufze und klopfe an und höre nicht auf anzuklopfen, bis dir ein Brosame meiner heilschaffenden Gnade, ein Tropfen des himmlischen Trostes gereicht wird.

Du bedarfst meiner, nicht bedarf ich deiner. Du kommst nicht, um mich heilig zu machen, sondern ich komme zu dir, um dich besser, dich heilig zu machen. Du kommst, um durch mich heilig, durch mich eins in Liebe mit mir zu werden; du kommst, um neue Gnade zu empfangen und zur Besserung neue Kraft von meinem Feuerherde zu holen. Versäume diese Gnadenstunde nicht, sondern bereite dein Herz mit allem Fleiße und führe deinen Geliebten mit zu dir nach Hause.

4. Aber du mußt dich nicht nur mit aller Innigkeit des Herzens zur Kommunion vorbereiten, sondern dich auch nach der Kommunion mit aller Treue in dieser Innigkeit bewahren. Diese Bewahrung der Innigkeit ist dir gerade so unentbehrlich wie die andächtige Vorbereitung. Denn die treue Bewahrung des Herzens nach der Kommunion ist wieder die beste Vorbereitung zum Empfang einer neuen größeren Gnade; wie denn auch den Menschen nichts so untüchtig macht, Gottes Gnade zu empfangen, als wenn er sich sogleich wieder in die äußerlichen Tröstungen versenkt. Meide das Vielschwatzen, bleib bei dir daheim und genieß deinen Gott, den dir die ganze Welt nicht rauben kann. Ich bin es, dem du dich ganz ergeben mußt, damit du in Zukunft nicht mehr in dir, sondern in mir fern von aller Sorge und Angst lebst.[219]

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 218-220.
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