14. Kapitel
Von der besonderen Sehnsucht einiger Christen nach dem Leib des Herrn.

[221] 1. Der Mensch: Wie ist doch die Fülle der Seligkeit so groß, die du deinen Freunden, die dich fürchten, aufbehalten hast! Wenn ich daran denke, daß viele andere fromme Christen mit glühender Andacht zum Tische des Herrn gehen, so erröte ich vor mir und ich kann mich kaum selbst ertragen, daß ich so kalt und gefühllos zu deinem Altar, zu deinem Tische hingehe; daß ich so dürr und ohne Rührung[221] des Herzens bleibe; daß ich von dir, o mein Gott, nicht ganz entflammt, nicht so mächtig angezogen und von dir zu dir hingezogen werde, wie viele Andächtige, welche das übergroße Verlangen zur heiligen Kommunion nicht aushalten konnten und vor Übermaß der Liebe in Tränen zerflossen und vom innersten Grunde aus mit einem unwiderstehlichen Durst und Hunger nach dir, o Gott, du lebendige Quelle alles Trostes, schmachteten und ihr Sehnen nach dir nicht mäßigen oder stillen konnten, bis sie an deinem Tische dein Fleisch und Blut mit aller Seelenlust genossen hatten.

2. Ihr wahrer Glaube, voll Licht und Flamme, ist ein zuverlässiger Beweis deiner heiligen Gegenwart. Denn diese erkennen ihren Herrn wahrhaftig am Brot-Brechen; ihr Herz glüht, indem Jesus mit ihnen wandelt und es entzündet. Aber diese glühende Empfindung, diese flammende Andacht und Liebe ist fern von mir.

Guter Jesus! Du bist ja die Liebe und Milde selbst: darum so sei auch mir gut und milde! Laß deinen armen Bettler auch nur einen Funken von deiner Liebe in der heiligen Kommunion empfinden, damit mein Glaube an dein Wort neubelebt, meine Zuversicht an deine Güte neugestärkt, meine Liebe zu dir einmal recht entflammt und durch den Genuß des Himmelsbrotes neubeseelt, nimmer ohnmächtig werde.

3. Deine Barmherzigkeit ist mächtig genug, auch mir diese ersehnte Gnade, diese deine Heimsuchung, die das Herz zur heiligen Liebe entzündet, angedeihen zu lassen, wenn der Tag sich naht, an dem es dir gefällt. Wenn schon das große Verlangen deiner Freunde, welche diese Gabe der besonderen Andacht haben, in mir noch nicht glüht, so habe ich, durch deine Gnade gestärkt, doch ein Verlangen nach jener brennenden Sehnsucht. Ich wünsche wenigstens und bitte um die Gnade, der heiligen Gesellschaft aller jener beigezählt zu werden, die von der wahren Liebe zu dir beseelt sind.[222]

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 221-223.
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