18. Kapitel
Glaube an Jesus Christus und grüble nicht über das Sakrament; folge Christus nach und zweifle nicht!

[228] 1. Der Herr: Hüte dich, mein Sohn, vor unnützer Neugierde, die nichts als forschen und wieder forschen will über dieses unerforschliche Sakrament. Hüte dich davor, wenn du nicht von dem Wirbel des Zweifels willst ergriffen und im Abgrunde verschlungen werden.

Wer die Majestät erforschen will, den erdrückt ihre Herrlichkeit. Die Allmacht Gottes kann doch gewiß mehr tun, als der Kopf eines Menschen begreifen kann. Dagegen ist eine fromme und demütige Untersuchung der Wahrheit, die sich gern will belehren lassen und willig ist, auf der Bahn der gesunden Lehre der Väter zu wandeln, nicht zu verwerfen.

2. Selig die Einfalt, die die rauhe Bahn der rastlosen Frage- und Streitsucht verläßt und auf dem ebenen, festen Wege der Gebote Gottes mutig fortgeht. Viele haben alles Gefühl der Andacht in sich verloren, indem sie Höheres erforschen wollen. Du sollst glauben und recht leben, das ist deine Pflicht; hohe Erkenntnis und tiefen Blick in die Geheimnisse Gottes, das fordert Gott nicht von dir.[228]

Wenn du nicht verstehst und nicht begreifst, was unter dir ist: wie wirst du begreifen, was über dir ist? Unterwirf du dich deinem Gott, und deine Vernunft beuge sich demütig unter die Zucht des Glaubens, und es wird dir so viel Licht der Erkenntnis gegeben werden, als dir nützlich und nötig ist.

3. Einige Menschen werden von den Versuchungen wider Glauben und Sakrament hart mitgenommen. Aber daran sind sie nicht schuld, sondern der Feind. Bekümmere du dich deshalb nicht, laß dich in keinen gelehrten Streit mit deinen eigenen Gedanken ein, und zerbrich dir den Kopf nicht mit Auflösungen der unendlichen Zweifel, die der Teufel in deine Seele legt, sondern glaube dem Worte Gottes, seinen Heiligen und Propheten, und der arge Feind wird dir Ruhe lassen.

Es ist oft gut und nützlich, daß treue Knechte Gottes durch solche Leiden bewährt werden. Denn die stolzen Ungläubigen und die versunkenen Sünder hat der Feind schon im Besitze, und er braucht sie nicht erst noch zu versuchen; aber die gläubigen und andächtigen Freunde Gottes plagt und versucht er auf mancherlei Weise.

4. Halt du also wie bisher fest am Glauben, der dem Zweifel keinen Raum gibt, geh hin zum Sakrament in Demut und in heiliger Ehrfurcht. Und was du nicht begreifen kannst, das stelle furchtlos dem allmächtigen Gott anheim. Gott betrügt dich nicht; aber wer sich selbst zuviel glaubt, wird von sich selbst betrogen.

Gott wandelt mit denen, die ein einfältiges, gerades Herz haben; er offenbart sich den Demütigen; er gibt Verstand den Unmündigen; er öffnet den Sinn reinen Seelen und verbirgt seine Gnade vor der Neugierde und dem Stolze der Menschen. Die menschliche Vernunft hat wenig Kraft und kann leicht irren; aber der rechte Glaube an Gott irrt ewig nicht.

5. Alle menschliche Vernunft und alle vernünftige Erforschung soll dem Glauben demütig nachfolgen, soll ihm nicht voranlaufen, noch weniger ihn brechen. Glaube und Liebe[229] zeigen ihre Wirksamkeit vorzüglich und auf die geheimste Weise in diesem heiligsten und erhabensten Sakrament.

Gott, der Ewige und Unermeßliche, dessen Allmacht ohne Grenze ist, tut große und unerforschliche Wunder im Himmel und auf Erden, und seine wundervollen Werke vermag kein forschender Verstand zu erforschen. Denn wären die Werke Gottes nur so groß, daß sie von der Vernunft des Menschen leicht könnten erforscht werden, so wären sie eben darum nicht groß, nicht wunderbar, nicht unerforschlich und unaussprechlich zu nennen.[230]

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 228-231.
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