9. Kapitel
Wirkliche Selbst-Aufopferung und Gebet für andere ist notwendig.

[209] 1. Der Mensch: Herr! dein ist alles im Himmel und auf Erden. Darum möchte auch ich mich selbst als ein freiwilliges Opfer dir hingeben und aus freier Wahl ewig dein sein und bleiben. So bringe ich denn in Einfalt meines Herzens mich selbst dir zum Opfer dar und weihe mich heut zu deinem Dienste und zur Lobpreisung deines Namens auf ewig. Nimm mich also auf mit dem heiligen Opfer deines kostbaren Leibes, das ich dir heute in Gegenwart der Engel, dieser unsichtbaren Zeugen und Mitanbeter, darbringe, damit es mir und deinem ganzen Volke zum Segen werde.

2. Herr, alle meine Sünden und Laster, die ich von der ersten Stunde des erwachenden Gewissens bis auf diesen Augenblick vor deinem Angesicht und vor deinen heiligen Engeln begangen habe, lege ich auf deinen Sühnaltar, damit du sie mit dem Feuer deiner Liebe verbrennen, alle Makel, die sie in mir zurückgelassen haben, austilgen, mein Gewissen von aller Schuld reinigen, mir die Gnade, die ich durch die[209] Sünde verloren habe, wiederschenken und das Siegel der vollkommenen Verzeihung, den Friedenskuß, in deiner Barmherzigkeit geben mögest.

3. Was kann ich für alle meine Sünden tun, als sie mit demütigem Herzen und tränendem Auge bekennen und deine Gnade ohne Unterlaß anflehen? So flehe ich denn zu dir, o mein Gott! Erhöre mich, und laß mich Gnade finden, wie ich so vor dir dastehe. Alle meine Sünden sind ein Greuel in meinen Augen; nicht mehr will ich sie begehen; immer mit Reue und Schmerzen will ich an sie denken; will Reue nimmer aus meiner Seele kommen lassen; will Buße tun, solange ich lebe, will deiner Gerechtigkeit in allem Genüge tun, so gut ich es vermag.

Verzeih, o mein Gott, verzeih mir alle meine Sünden, um deines heiligen Namens willen. Mache selig die unsterbliche Seele, die du mit deinem kostbaren Blut erlöst hast. Sieh! deinem Erbarmen empfehle ich mich ganz, in deine Hand befehle ich mich. Handle mit mir nicht nach meinem bösen, ungerechten Sinne, sondern nach deinem gütigen, liebenden Herzen.

4. Jetzt lege ich auch all mein Gutes, so wenig und unvollkommen es immer sein mag, als Opfergabe auf deinen Altar, damit du es verbessern und heiligen, damit du es dir gefällig und angenehm machen, damit du alles Mangelhafte mir zum Guten lenken und mich, das träge, unnütze Menschlein, immer vorwärts zum Ende der Bahn, zur Seligkeit hinführen mögest.

5. Ich lege auch auf deinen Altar nieder alle heiligen Wünsche der Frommen und die geheimen Anliegen meiner Eltern und Freunde, Brüder und Schwestern, und aller meiner Lieben, und derer, die mir oder anderen dir zuliebe Gutes getan haben, die sich und die Ihrigen in mein Gebet und Opfer empfohlen haben, sie mögen noch mit uns auf Erden pilgern oder schon heimgegangen sein, ich bitte für sie alle, daß sie deine helfende Gnade und deine tröstende Hilfe, Schutz vor Gefahren und Errettung aus allen Strafen[210] erfahren und von allem Übel erlöst dir in heiliger Feier Dank- und Jubel-Lieder singen mögen.

6. Endlich opfere ich dir auch meine Gebete und Sühnopfer besonders für die, welche mich beleidigt, betrübt, getadelt, geschädigt, gekränkt haben; auch für alle, die ich betrübt, gekränkt, geschädigt und mit Worten oder Taten, mit oder ohne Wissen, geärgert habe; verzeih uns allen miteinander alle Sünden und alle Beleidigungen, mit denen wir einander betrübt haben. Nimm von unserem Herzen hinweg alles, was Argwohn, Zorn, Verbitterung, Zank heißt und das zarte Band brüderlicher Liebe auflösen oder schwächen kann. Erbarme, erbarme dich, o Herr, aller, die dein Erbarmen erflehen; gib Gnade allen, die deiner Gnade bedürfen, und bilde aus uns solche Menschen, die immer würdiger, deine Gnade zu genießen, und zum ewigseligen Leben immer tüchtiger werden.

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 209-211.
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