Nach Sedan, an den Kaiser Wilhelm 1.

[130] Ist das des Jahrhunderts schöne Erde,

Ströme Bluts und Berge voller Leichen!

Wird das Böse nicht dem Guten weichen?

Wär's nicht Zeit, daß endlich Frieden werde?


Frevelnd ward der Krieg heraufbeschworen,

Der Urheber Ansehn ging verloren,

Ausgekämpfet ist der Krieg, genug getan

Ist's an allem, was Europa's Augen sah'n!


Doch nicht Rache will der große Sieger,

Menschlich fühlt der ruhmgekrönte Krieger,

Teuer ist ihm seines Volkes Blut,

Das vertrauensvoll in seinen Händen ruht!


Und die weisen Lehren der Geschichte treten,

Und das Wort, um das die Völker beten,

Das Erbarmen, es tritt vor ihn hin,

Leuchtet heute seinem Königlichen Sinn!


Und des Ahnherrn wohlbekannte Sympathien –

Unbegründet – in der Sprache im Gedicht –

Steigen auf vor seinem Angesicht,

Und des Königs Blicke Segen sprühen:
[131]

Wollen aller Welt den Frieden geben,

Einen langen Sonntag uns'rem Vaterland,

Das um uns wie Heldenmauer stand, –

Und besiegtem Uebermute sei vergeben! –


Quelle:
Friederike Kempner: Gedichte. Berlin 81903, S. CXXX130-CXXXII132.
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