Zur Erinnerung an Herrn Joseph Wolfsohn

[260] Joseph Wolfsohn ist geschieden,

Mann von Ehre, höh'rem Sinn.

Unverstanden bliebst hienieden, –

Joseph Wolfsohn, er ist hin! –


Joseph Wolfsohn bist geschieden,

Fandest keinen Freund hienieden,

Keiner Freude traute Spur,

Lebtest traurig einsam nur.


Festen Muts in jedem Stücke

Fehlte Dir zum eigenen Glücke,

Des Ergreifens rohe Kraft,

Welche eignes Wohl nur schafft. –
[260]

Bist auch Freimaurer gewesen,

Pyramiden hast gelesen, –

Fandest nirgends Glück und Ruh,

Doch ein Menschenfreund warst Du. –


Schon im Glanze Deiner Jugend,

Das war das Talent der Tugend,

Dachtest Du an Gutes tun,

Und es ließ Dich nimmer ruh'n.


Und Dein Name lebt für immer

Edel, einfach ohne Schimmer

Hast Du Segen ausgestreut

Und Dein Beispiel ihn erneut.


Freue Dich in jenen Sphären,

Wirkest fort im Licht und Glanz,

Dort empfängt man Dich mit Ehren

Und mit einem Lorbeerkranz.

Quelle:
Friederike Kempner: Gedichte. Berlin 81903, S. CCLX260-CCLXI261.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1903)
Kennst Du das Land, wo die Lianen blühn?: Gedichte des schlesischen Schwans
Dichterleben, Himmelsgabe: Sämtliche Gedichte
Friederike Kempner: Das Leben ist ein Gedicht
Ausgewählte Gedichte : Aus d. Liederschatz d.
Gedichte: Ausgabe 1903