§. 8.

Monumenta.

[17] Was die Monumenta anlanget / ist unter andern wohl merckwürdig dasjenige / welches im Fenster der am Marckt gelegenen Kirchen noch Stückweise zu sehen folgender Gestalt:


Am Dage Johannes

Und Pali – –

Sint binnen – –

Hammelen Ge – –

Bahren Thok – –

Varie Unde – –

Dorch – – –

ALLerLey Ge – –

Den Koppen – –

– – – – –

Anno 1572.


[17] Mit diesem Gemählde kommen auch viel andere Abbildungen / welche man in öffentlichen und Privat-Häusern viel antreffen kan / überein.

An der neuen Pforte / wie sie es nennen / wenn man hinein kömmet zur rechten Seite stehet dieses Distichon:

Centum ter denos cum Magus ab urbe puellos

Duxerat ante annos CCLXXII.

Condita porta fuit.


So findet man auch an einem Hause am Marckte gelegen mit grossen Buchstaben folgende Wort angezeichnet: Anno Christi 1284. am Tage Johannis Pauli / ist gewesen der 26. Junii, da 130. Kinder aus der Stadt verleitet in der Stadt Hameln. In dem Kloster S. Bonifacii ist eben diese Geschicht auch mit lateinischen Versen beschrieben / anderer unterschiedener Oerter itzt beliebter Kürtze Willen zu geschweigen. Ob nun aber der Schookius dieser aller einhelligen Bericht mit Rechte ausschlage / wollen wir balde zeugen. Wir beschliessen itzund dieses Caput mit des Erichii Acclamatione ad Autores also:


[18] Aut verum aut falsum est quod ad unum suribitis omnes,

Et velut historiam commemoratis opus:

Si falsum, miror, quis vos deceperit error?

Sin verum, ecqvare est suspiciosa fides?

Ast ego non video qvi prodere falsa qveatis;

Historiæ est verum dicere & Historici.


Welches Teutsch ohnmaßgeblich also könte versetzet werden.


Falsch oder wahr ist es / was ihr zusammen schreibet /

Und als ein recht Geschicht dem Wercke einverleibet:

Ists falsch / so wundert michs / wie ihr den Irrthum liebt?

Ists wahr / warum man sich dem Argwohn doch ergiebt?

Gewiß ich sehe nicht / wie ihr wollt falsch bejahen /

Ein Schreiber der Geschicht muß ja die Warheit sagen;

[19] Und nicht mit Unwarheit die Blätter füllen an /

Sonst man in keinen Stück ihn billig loben kan.

Quelle:
[Meister, Johann Gottlieb:] M. Theodori Kirchmayeri Curiöse Historia von den unglücklichen Ausgange der Hamelischen Kinder. Aus dem Lat. ins Teutsche übers. von M. M. [d.i. Johann Gottlieb Meister], Dresden, Leipzig 1702, S. 17-20.
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