§. 7.

[39] Wir schreiten fort und besehen die Annales. Diese sollen nun nach des Schookii Meynung bald in rerum natura, bald nicht gewesen seyn. Wir wollen seine rationes anhören. Er spricht: Man könne sie heut zu Tage nirgend finden / und bekenne der Erichius selber / es sey kein vestigium dererselben mehr verhanden. Ich habe den Erichium aufgeschlagen / und im suchen folgendes gefunden: Weil es heist: non cujusvis esse arcana Reipublicæ scrutari, als habe ich mich eben umb solche Annales nicht hoch bekümmert pag. 106. und pag. 107. Wo solche Annales seyn hinkommen? Ob sie durch einigen Zu- oder [39] Unglücksfall verdorben und verlohren worden? Oder wie es sonst darum stehe? Laß ich andere fragen: Ich sage mehr nicht / als daß es möglich sey / daß solche Uhrkunden vorhanden gewesen / und noch vorhanden seyn. Mit diesen Worten wird der liebe Mann nicht erhalten / was er wünschet. Gesetzt auch / man könne solche Annales nicht mehr finden / und wären keine vestigia mehr übrig. Sind doch viel Scripta Livii, Salustii, Ciceronis, Senecæ und anderer heut zu Tage nirgend zu finden. Ergo seyn sie nicht in rerum natura gewesen? Eine schwache Folge. Das Wiederspiel zeigen angeführte Zeugnisse und allegirte Annales. So spricht unter andern Wierus: Dieses ist also in denen Annalibus, welche zu Hameln in Archivis heilig aufgehoben werden / beschrieben. Kornmannus: Etliche referiren es aus einen Irrthum zum 22sten Tage des Julii, wie Vincentius Sturmius. Denn in denen Hamelischen Annalibus ists zum 26. Junii annotiret. Lucas Lossius: Die alten Annales der Stadt bezeugen diese Geschicht. [40] Hannibal Nullejus und Lonicerus beruffen sich auch darauf. Diese und dergleichen mehr glaubwürdige Männer zeugen nun wider den Schookium. Wenn demnach / wie gar recht Bellarminus erinnert / mehr dreyen Zeugen welche eine Sache bejahen zu glauben / als tausenden / die nichts sagen / wenn sie nur nicht negiren / was andere affirmiret. Und wie der Adversarius selbst spricht /eines teutschen Scriptoris Zeugniß / wenn es mit glaubwürdigen Monumentis confirmiret schon genung ist / so ist die Sache gewonnen. Und also ists gewiß / daß solche Annales gewesen seyn / sie mögen nun noch vorhanden seyn oder nicht / so hat man sie ehedessen gewiß gehabt.

Quelle:
[Meister, Johann Gottlieb:] M. Theodori Kirchmayeri Curiöse Historia von den unglücklichen Ausgange der Hamelischen Kinder. Aus dem Lat. ins Teutsche übers. von M. M. [d.i. Johann Gottlieb Meister], Dresden, Leipzig 1702, S. 39-41.
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