Christo Jesu zu Ehren

[8] (Der Eingang ist von Dactylischen Versen auff Sapphische Manier.)


Setzet an/ blaset die feyer Trommeten1/

Lasset erklingen die hohen Clareten/

Lasset die küpfernen Trummeln erschaln/

Prasseln und haln.

Stekket die Fahnen2 auß/ lasset sie fliegen/

Man hat die höllische Vestung erstiegen/

Lasset dieTempel mit Waffen außschmükn/

Löset die Stükn,

Ladet von neuen/ begrüsset den Himmel/

Thäler antworten mit Gegengetümmel/

Nunmehr ist unser der blutige Krieg

Wahlstat vnd Sieg.

Singet und klinget in Christlichen Landen/

Christus ist heute von Toden erstanden/

Christus hat heute den Teufel besiegt/

Satan erliegt.

Die Cherubinen3 nun Sternen ab fliegen/

Singen und sagen von Kriegen vnd Siegen/

Das Deamantine Himmlische4 Zelt

Freudevermeldt.[9]

Sehet/ wie schimmert die güldene Sonne/

Hüpffet und springet für Freuden und Wonne/

Höret/ die künstliche Nachtigal wacht/

Schlirffet und lacht.5

Wasser vnd Wogen mit Brausen sich heben/

Ströme die Freude mit Rauschen angeben/

Der West verjünget die nichtige Zeit/

Blumen außbreit.

Rühret der Harfen bewegliche Seiten/

Lasset das Orgelwerk klüglich bestreiten/

Alle Welt soll Ihn mit völligem Chor

Heben empor.

Flötet/ posaunet/ versüssete Lieder/

Christus der Höllen Bestürmer kömt wider/

Alles/ was Odem hat/ lobe den HERRN/

Nah und auch fern.

Stille! der Siegesfürst kommet gezogen/

Richtet auff lieblich bekräntzete Bogen/

Machet die mächtigen Thaten berufft/

Füllet die Lufft.

Hertzog/ du Hertze des Friedes/ willkommen!

Freude der Engel/ Erlöser der Frommen/

Retter der Sterblichen/ Tröster in Noht/

Leben im Tod.


(Der Poët oder Evangelist gebrauchet sich hinfort der Alexandrinischen Verse/ alldieweil sich solche zu dergleichen Erzehlungen am besten schikken.)[10]


Die Fakkel6 dieser Welt/ das Flammenschöne Licht/

Das mit vergüldten Haubt die braune Nacht zerbricht/

War noch nicht aufgewacht; es spielte durch das blaue

Die gelblichrohte Braut/ die Mutter kühler Taue/

Die Fürstin des Gestirns/die neubegrünte Welt

Lag noch wie fast vor tod in ihrem Nebelzelt.

Der tieffe Hertzensschnitt/ das Sorgenvolle Wachen/

Allein das fromme Weib Marien munter machen/

Der ist hinweggerafft/ nachdem sie hat gewacht

Nicht sonder Threnenflut den dritten Tag7 und Nacht.

Wer träget wol ein Feur im Busen/ das nicht schmertze?

Die Liebe birgt sich nicht/ der Mund verräht das Hertze.

Der abgeseelte Leib/ das newe Todenhauß/

Die liegen jhr im Sinn/ drüm bricht sie folgend auß.

Fußnoten

Hat der Tichter nicht der Tiefgelehrten halben/ die viel mehr wissen/ angefüget/ sondern der Jugend zu Liebe/ als welcher unsere annoch Teutsche in der Wiegen liegende Poesis nicht allerdings möchte bekant seyn.


Der Eingang/ wie gemeldet/ ist Dactylisch oder gedeutscht/ von langgekürtzten Versen/ werden von ihrem Erfinder Buchnerische genennet.


1 Ist eben was Göttliche Majestät geboten hat. Der Poët Sabinus sagt: Atria festivis perstrepuëre tubis, und an einem andern Orte: resonant tergora densa boum.


2 Wie die Römer pflegten ihre Siegseinzüge zu halten/ kan der teutschgierige Leser suchen in dem Himmlischen Jerusalem D. Meyfarti.


3 Daß unterschiedene Orden der Engel/ ist auß dem Heyden-Doctor zu sehen/ daß aber unsere Widersacher dieselben also namhafft machen/ als wenn sie neulich dem Himmlischen Stadtgerichte beygewohnet/ist auff lauter Sand gebauet.


4 Der uhralte Geschichtschreiber Moses nennet es עיקר, welches die LXX Dolmetscher gegeben ςερέωμα.


5 Plinius saget schön/ die Nachtigal führet in ihrer vollkommenen Singkunst den rechten Schlag/ jetzo hält sie stille/ bald singt sie etzliche Notẽ ohne Veränderung in einem Athẽ/ ietzt beuget sie die Stimme/ietzt singt sie etwas kleiner/ ietzt mit bebender/ ietzt mit lauterer Stimme/ bißweilen machet sie kurtze/bißweilen lange Gesetze.


6 Ist eine Beschreibung der hereinbrechenden Morgenröhte/ wenn die Demmerung beginnet zu tagen.


7 Gewiß ist es/ daß unser Heiland nur etwan 39. Stunden im Grabe gelegen/ und ist die H. Schrifft voll von dreyen Tagen. Die Jüden/ wie wissend/ fangen ihre Tage mit der Nacht an/ die erste Nacht/ sagen die Vätter/ sey gewesen die unerhörte Finsternis von der 6 bis zur 9 Stunde/ nach dem Christus begraben worden/ sind noch drey Stundẽ vom Tage übrig gewesen/diß ist der erste Tag. Den Sonnabend ist er den gantzen Tag und Nacht/ Sontags die volle Nacht und etzliche Stunden im Grabe blieben/ denn er mit der Sonnen aufferstanden/ besage der zween Wandersleute nach Emaus/ Luc. 24.


Quelle:
Johann Klaj: Redeoratorien und »Lobrede der Teutschen Poeterey«. Tübingen 1965, S. 8-11.
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