Funfzehnter Auftritt

[198] Die Vorigen ohne den Cherub.


KUNIGUNDE sieht sich zuerst um.

Nun, beim lebend'gen Gott, ich glaub, ich träume! –

Mein Freund! Schaut her!

DER GRAF VOM STRAHL vernichtet.

Flammberg!


Er stützt sich auf seine Schulter.


KUNIGUNDE.

Ihr Vettern! Tanten! –

Herr Graf! so hört doch an![198]

DER GRAF VOM STRAHL schiebt sie von sich.

Geht, geht! – – Ich bitt Euch!

KUNIGUNDE.

Ihr Toren! Seid ihr Säulen Salz geworden?

Gelöst ist alles glücklich.

DER GRAF VOM STRAHL mit abgewandtem Gesicht.

Trostlos mir!

Die Erd hat nichts mehr Schönes. Laßt mich sein.

FLAMMBERG zu den Knechten.

Rasch, Brüder, rasch!

EIN KNECHT.

Herbei, mit Hacken, Spaten!

EIN ANDERER.

Laßt uns den Schutt durchsuchen, ob sie lebt!

KUNIGUNDE scharf.

Die alten, bärt'gen Gecken, die! das Mädchen,

Das sie verbrannt zu Feuersasche glauben,

Frisch und gesund am Boden liegt sie da,

Die Schürze kichernd vor dem Mund, und lacht!

DER GRAF VOM STRAHL wendet sich.

Wo?

KUNIGUNDE.

Hier!

FLAMMBERG.

Nein, sprecht! Es ist nicht möglich.

DIE TANTEN.

Das Mädchen wär –?

ALLE.

O Himmel! Schaut! Da liegt sie.

DER GRAF VOM STRAHL tritt zu ihr und betrachtet sie.

Nun über dich schwebt Gott mit seinen Scharen!


Er erhebt sie vom Boden.


Wo kommst du her?

KÄTHCHEN.

Weiß nit, mein hoher Herr.

DER GRAF VOM STRAHL.

Hier stand ein Haus, dünkt mich, und du warst drin.

– Nicht? War's nicht so?

FLAMMBERG.

– Wo warst du, als es sank?

KÄTHCHEN.

Weiß nit, ihr Herren, was mir widerfahren.


Pause.


DER GRAF VOM STRAHL.

Und hat noch obenein das Bild.


Er nimmt ihr die Rolle aus der Hand.
[199]

KUNIGUNDE reißt sie an sich.

Wo?

DER GRAF VOM STRAHL.

Hier.

KUNIGUNDE erblaßt.

DER GRAF VOM STRAHL.

Nicht? Ist's das Bild nicht? – Freilich!

DIE TANTEN.

Wunderbar!

FLAMMBERG.

Wer gab dir es? Sag an!

KUNIGUNDE indem sie ihr mit der Rolle einen Streich auf die Backen gibt.

Die dumme Trine!

Hatt ich ihr nicht gesagt, das Futteral?

DER GRAF VOM STRAHL.

Nun, beim gerechten Gott, das muß ich sagen –!

– Ihr wolltet das Futtral?

KUNIGUNDE.

Ja und nichts anders!

Ihr hattet Euren Namen drauf geschrieben;

Es war mir wert, ich hatt's ihr eingeprägt.

DER GRAF VOM STRAHL.

Wahrhaftig, wenn es sonst nichts war –

KUNIGUNDE.

So? Meint Ihr?

Das kommt zu prüfen mir zu, und nicht Euch.

DER GRAF VOM STRAHL.

Mein Fräulein, Eure Güte macht mich stumm.

KUNIGUNDE zu Käthchen.

Warum nahmst du's heraus, aus dem Futteral?

DER GRAF VOM STRAHL.

Warum nahmst du's heraus, mein Kind?

KÄTHCHEN.

Das Bild?

DER GRAF VOM STRAHL.

Ja!

KÄTHCHEN.

Ich nahm es nicht heraus, mein hoher Herr.

Das Bild, halb aufgerollt, im Schreibtischwinkel,

Den ich erschloß, lag neben dem Futtral.

KUNIGUNDE.

Fort! – das Gesicht der Äffin!

DER GRAF VOM STRAHL.

Kunigunde! –

KÄTHCHEN.

Hätt ich's hinein erst wieder ordentlich

In das Futtral –?

DER GRAF VOM STRAHL.

Nein, nein, mein liebes Käthchen![200]

Ich lobe dich, du hast es recht gemacht.

Wie konntest du den Wert der Pappe kennen?

KUNIGUNDE.

Ein Satan leitet' ihr die Hand!

DER GRAF VOM STRAHL.

Sei ruhig! –

Das Fräulein meint es nicht so bös. – Tritt ab.

KÄTHCHEN.

Wenn du mich nur nicht schlägst, mein hoher Herr!


Sie geht zu Flammberg und mischt sich im Hintergrund unter die Knechte.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 198-201.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe
Das Käthchen von Heilbronn: oder die Feuerprobe. Studienausgabe
Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe: Reclam XL - Text und Kontext
Prinz Friedrich von Homburg / Der zerbrochene Krug / Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe.
Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe: Ein großes historisches Ritterschauspiel. Berlin 1810 (Suhrkamp BasisBibliothek)
Hamburger Lesehefte, Nr.56, Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe

Buchempfehlung

Jean Paul

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon