Eilfter Auftritt

[230] Der Graf vom Strahl tritt auf. Die Vorigen.


DER GRAF VOM STRAHL betroffen.

Reichsrät, in festlichem Gepräng, aus Worms!

GRAF OTTO.

Seid uns gegrüßt, Herr Graf!

DER GRAF VOM STRAHL.

– Was bringt Ihr mir?

GRAF OTTO.

Ein kaiserliches Schreiben dieser Jungfrau!

Befragt sie selbst; sie wird es Euch bedeuten.

DER GRAF VOM STRAHL.

O Herz, was pochst du?


Zu Käthchen.


Kind, was hältst du da?

KÄTHCHEN.

Weiß nit, mein hoher Herr. –

GOTTSCHALK.

Gib, gib, mein Herzchen.

DER GRAF VOM STRAHL liest.

»Der Himmel, wisset, hat mein Herz gestellt,[230]

Das Wort des Auserwählten einzulösen.

Das Käthchen ist nicht mehr des Theobalds,

Des Waffenschmidts, der mir sie abgetreten,

Das Käthchen fürderhin ist meine Tochter,

Und Katharina heißt sie jetzt von Schwaben.«


Er durchblättert die andern Papiere.


Und hier: »Kund sei« – Und hier: »das Schloß zu Schwabach« –


Kurze Pause.


Nun möcht ich vor der Hochgebenedeiten

In Staub mich werfen, ihren Fuß ergreifen,

Und mit des Danks glutheißer Träne waschen.

KÄTHCHEN setzt sich.

Gottschalk, hilf, steh mir bei; mir ist nicht wohl!

DER GRAF VOM STRAHL zu den Räten.

Wo ist der Kaiser? Wo der Theobald?

DER KAISER indem beide ihre Mäntel abwerfen.

Hier sind sie!

KÄTHCHEN steht auf.

Gott im hohen Himmel! Vater!


Sie eilt auf ihn zu; er empfängt sie.


GOTTSCHALK für sich.

Der Kaiser! Ei, so wahr ich bin! Da steht er!

DER GRAF VOM STRAHL.

Nun, sprich du – Göttlicher! Wie nenn ich dich?

– Sprich, las ich recht?

DER KAISER.

Beim Himmel, ja, das tatst du!

Die einen Cherubim zum Freunde hat,

Der kann mit Stolz ein Kaiser Vater sein!

Das Käthchen ist die Erst' itzt vor den Menschen,

Wie sie's vor Gott längst war; wer sie begehrt,

Der muß bei mir jetzt würdig um sie frein.

DER GRAF VOM STRAHL beugt ein Knie vor ihm.

Nun, hier auf Knieen bitt ich: gib sie mir!

DER KAISER.

Herr Graf! Was fällt Ihm ein?

DER GRAF VOM STRAHL.

Gib, gib sie mir!

Welch andern Zweck ersänn ich deiner Tat?[231]

DER KAISER.

So! Meint Er das? – Der Tod nur ist umsonst,

Und die Bedingung setz ich dir.

DER GRAF VOM STRAHL.

Sprich! Rede!

DER KAISER ernst.

In deinem Haus den Vater nimmst du auf!

DER GRAF VOM STRAHL.

Du spottest!

DER KAISER.

Was! du weigerst dich?

DER GRAF VOM STRAHL.

In Händen!

In meines Herzens Händen nehm ich ihn!

DER KAISER zu Theobald.

Nun, Alter; hörtest du?

THEOBALD führt ihm Käthchen zu.

So gib sie ihm!

Was Gott fügt, heißt es, soll der Mensch nicht scheiden.

DER GRAF VOM STRAHL steht auf, und nimmt Käthchens Hand.

Nun denn, zum Sel'gen hast du mich gemacht! –

Laßt einen Kuß mich, Väter, einen Kuß nur

Auf ihre himmelsüßen Lippen drücken.

Hätt ich zehn Leben, nach der Hochzeitsnacht,

Opfr ich sie jauchzend jedem von euch hin!

DER KAISER.

Fort jetzt! daß er das Rätsel ihr erkläre!


Ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 230-232.
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