Siebenter Auftritt

[227] Kunigunde, in ihrem gewöhnlichen Glanz, Rosalie und die alte Sybille, die schwächlich, auf Krücken, durch die Mitteltür abgeht.


KUNIGUNDE.

Sieh da, Graf Friederich! Was für ein Anlaß

Führt Euch so früh in meine Zimmer her?

DER GRAF VOM STRAHL indem er die Sybille mit den Augen verfolgt.

Was! Sind die Hexen doppelt?

KUNIGUNDE sieht sich um.

Wer?

DER GRAF VOM STRAHL faßt sich.

Vergebt! –

Nach Eurem Wohlsein wollt ich mich erkunden.

KUNIGUNDE.

Nun? – Ist zur Hochzeit alles vorbereitet?

DER GRAF VOM STRAHL indem er näher tritt und sie prüft.

Es ist, bis auf den Hauptpunkt, ziemlich alles –

KUNIGUNDE weicht zurück.

Auf wann ist sie bestimmt?

DER GRAF VOM STRAHL.

Sie war's – auf morgen.

KUNIGUNDE nach einer Pause.

Ein Tag mit Sehnsucht längst von mir erharrt!

– Ihr aber seid nicht froh, dünkt mich, nicht heiter?

DER GRAF VOM STRAHL verbeugt sich.

Erlaubt! ich bin der Glücklichste der Menschen!

ROSALIE traurig.

Ist's wahr, daß jenes Kind, das Käthchen, gestern,

Das Ihr im Schloß beherbergt habt –?[227]

DER GRAF VOM STRAHL.

O Teufel!

KUNIGUNDE betreten.

Was fehlt Euch? Sprecht!

ROSALIE für sich.

Verwünscht!

DER GRAF VOM STRAHL faßt sich.

– Das Los der Welt!

Man hat sie schon im Kirchhof beigesetzt.

KUNIGUNDE.

Was Ihr mir sagt!

ROSALIE.

Jedoch noch nicht begraben?

KUNIGUNDE.

Ich muß sie doch im Leichenkleid, noch sehn.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 227-228.
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