Vierter Auftritt

[358] Der Graf von Hohenzollern und der Prinz von Homburg.


HOHENZOLLERN indem er sich in einiger Entfernung hinter dem Prinzen stellt, der noch immer unverwandt die Rampe hinaufsieht.

Arthur!


Der Prinz fällt um.


Da liegt er; eine Kugel trifft nicht besser!


Er nähert sich ihm.


Nun bin ich auf die Fabel nur begierig,

Die er ersinnen wird, mir zu erklären,

Warum er hier sich schlafen hat gelegt.


Er beugt sich über ihn.


Arthur! He! Bist des Teufels du? Was machst du?

Wie kommst du hier zu Nacht auf diesen Platz?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Je, Lieber!

HOHENZOLLERN.

Nun, fürwahr, das muß ich sagen!

Die Reuterei ist, die du kommandierst,

Auf eine Stunde schon im Marsch voraus,

Und du, du liegst im Garten hier, und schläfst.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Welch eine Reuterei?

HOHENZOLLERN.

Die Mamelucken! –

So wahr ich Leben atm', er weiß nicht mehr,

Daß er der märk'schen Reuter Oberst ist?!

DER PRINZ VON HOMBURG steht auf.

Rasch! Meinen Helm! Die Rüstung![358]

HOHENZOLLERN.

Ja wo sind sie?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Zur Rechten, Heinz, zur Rechten; auf dem Schemel!

HOHENZOLLERN.

Wo? Auf dem Schemel?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ja, da legt ich, mein ich –!

HOHENZOLLERN sieht ihn an.

So nimm sie wieder von dem Schemel weg!

DER PRINZ VON HOMBURG.

– Was ist dies für ein Handschuh?


Er betrachtet den Handschuh, den er in der Hand hält.


HOHENZOLLERN.

Ja, was weiß ich? –


Für sich.


Verwünscht! Den hat er der Prinzessin Nichte,

Dort oben unbemerkt vom Arm gerissen!


Abbrechend.


Nun, rasch! Hinweg! Was säumst du? Fort!

DER PRINZ VON HOMBURG wirft den Handschuh wieder weg.

Gleich, gleich! –

He, Franz, der Schurke der mich wecken sollte!

HOHENZOLLERN betrachtet ihn.

Er ist ganz rasend toll!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Bei meinem Eid!

Ich weiß nicht, liebster Heinrich, wo ich bin.

HOHENZOLLERN.

In Fehrbellin, du sinnverwirrter Träumer;

In einem von des Gartens Seitengängen,

Der ausgebreitet hinterm Schlosse liegt!

DER PRINZ VON HOMBURG für sich.

Daß mich die Nacht verschläng! Mir unbewußt

Im Mondschein bin ich wieder umgewandelt!


Er faßt sich.


Vergib! Ich weiß nun schon. Es war, du weißt, vor Hitze,

Im Bette gestern fast nicht auszuhalten.

Ich schlich erschöpft in diesen Garten mich,

Und weil die Nacht so lieblich mich umfing,

Mit blondem Haar, von Wohlgeruch ganz triefend[359]

Ach! wie den Bräut'gam eine Perserbraut,

So legt ich hier in ihren Schoß mich nieder.

– Was ist die Glocke jetzo?

HOHENZOLLERN.

Halb auf zwölf.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Und die Schwadronen, sagst du, brachen auf?

HOHENZOLLERN.

Versteht sich, ja! Glock zehn; dem Plan gemäß!

Das Regiment Prinzessin von Oranien,

Hat, wie kein Zweifel ist, an ihrer Spitze

Bereits die Höhn von Hackelwitz erreicht,

Wo sie des Heeres stillen Aufmarsch morgen,

Dem Wrangel gegenüber decken sollen.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Es ist gleichviel! Der alte Kottwitz führt sie,

Der jede Absicht dieses Marsches kennt.

Zudem hätt ich zurück ins Hauptquartier

Um zwei Uhr morgens wiederkehren müssen,

Weil hier Parole noch soll empfangen werden:

So blieb ich besser gleich im Ort zurück.

Komm; laß uns gehn! Der Kurfürst weiß von nichts?

HOHENZOLLERN.

Ei, was! Der liegt im Bette längst und schläft.


Sie wollen gehen; der Prinz stutzt, kehrt sich um, und nimmt den Handschuh auf.


DER PRINZ VON HOMBURG.

Welch einen sonderbaren Traum träumt ich?! –

Mir war, als ob, von Gold und Silber strahlend

Ein Königsschloß sich plötzlich öffnete,

Und hoch von seiner Marmorramp' herab,

Der ganze Reigen zu mir niederstiege,

Der Menschen, die mein Busen liebt:

Der Kurfürst und die Fürstin und die – dritte,

– Wie heißt sie schon?

HOHENZOLLERN.

Wer?[360]

DER PRINZ VON HOMBURG er scheint zu suchen.

Jene – die ich meine!

Ein Stummgeborner würd sie nennen können!

HOHENZOLLERN.

Die Platen?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Nicht doch, Lieber!

HOHENZOLLERN.

Die Ramin?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Nicht, nicht doch, Freund!

HOHENZOLLERN.

Die Bork? die Winterfeld?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Nicht, nicht; ich bitte dich! Du siehst die Perle

Nicht vor dem Ring, der sie in Fassung hält.

HOHENZOLLERN.

Zum Henker, sprich! Läßt das Gesicht sich raten?

– Welch eine Dame meinst du?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Gleichviel! Gleichviel!

Der Nam ist mir, seit ich erwacht, entfallen,

Und gilt zu dem Verständnis hier gleichviel.

HOHENZOLLERN.

Gut! So sprich weiter!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Aber stör mich nicht! –

Und er, der Kurfürst, mit der Stirn des Zeus,

Hielt einen Kranz von Lorbeern in der Hand:

Er stellt sich dicht mir vor das Antlitz hin,

Und schlägt, mir ganz die Seele zu entzünden,

Den Schmuck darum, der ihm vom Nacken hängt,

Und reicht ihn, auf die Locken mir zu drücken

– O Lieber!

HOHENZOLLERN.

Wem?

DER PRINZ VON HOMBURG.

O Lieber!

HOHENZOLLERN.

Nun, so sprich!

DER PRINZ VON HOMBURG.

– Es wird die Platen wohl gewesen sein.

HOHENZOLLERN.

Die Platen? Was! – Die jetzt in Preußen ist?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Die Platen. Wirklich. Oder die Ramin.[361]

HOHENZOLLERN.

Ach, die Ramin! Was! Die, mit roten Haaren! –

Die Platen, mit den schelm'schen Veilchenaugen!

Die, weiß man, die gefällt dir.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Die gefällt mir. –

HOHENZOLLERN.

Nun, und die, sagst du, reichte dir den Kranz?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Hoch auf, gleich einem Genius des Ruhms,

Hebt sie den Kranz, an dem die Kette schwankte,

Als ob sie einen Helden krönen wollte.

Ich streck, in unaussprechlicher Bewegung,

Die Hände streck ich aus, ihn zu ergreifen:

Zu Füßen will ich vor ihr niedersinken.

Doch, wie der Duft, der über Täler schwebt,

Vor eines Windes frischem Hauch zerstiebt,

Weicht mir die Schar, die Ramp' ersteigend, aus.

Die Rampe dehnt sich, da ich sie betrete,

Endlos, bis an das Tor des Himmels aus,

Ich greife rechts, ich greife links umher,

Der Teuren einen ängstlich zu erhaschen.

Umsonst! Des Schlosses Tor geht plötzlich auf;

Ein Blitz der aus dem Innern zuckt, verschlingt sie,

Das Tor fügt rasselnd wieder sich zusammen:

Nur einen Handschuh, heftig, im Verfolgen,

Streif ich der süßen Traumgestalt vom Arm:

Und einen Handschuh, ihr allmächt'gen Götter,

Da ich erwache, halt ich in der Hand!

HOHENZOLLERN.

Bei meinem Eid! – Und nun meinst du, der Handschuh,

Der sei der ihre?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Wessen?

HOHENZOLLERN.

Nun, der Platen!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Der Platen. Wirklich. Oder der Ramin. –

HOHENZOLLERN lacht.

Schelm, der du bist, mit deinen Visionen![362]

Wer weiß von welcher Schäferstunde, traun,

Mit Fleisch und Bein hier wachend zugebracht,

Dir noch der Handschuh in den Händen klebt!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was! Mir? Bei meiner Liebe –!

HOHENZOLLERN.

Ei so, zum Henker,

Was kümmert's mich? Meinthalben sei's die Platen,

Sei's die Ramin! Am Sonntag geht die Post nach Preußen,

Da kannst du auf dem kürzsten Weg erfahren,

Ob deiner Schönen dieser Handschuh fehlt. –

Fort! Es ist zwölf. Was stehn wir hier und plaudern?

DER PRINZ VON HOMBURG träumt vor sich nieder.

– Da hast du recht. Laß uns zu Bette gehn.

Doch, was ich sagen wollte, Lieber,

Ist die Kurfürstin noch und ihre Nichte hier,

Die liebliche Prinzessin von Oranien,

Die jüngst in unser Lager eingetroffen?

HOHENZOLLERN.

Warum? – Ich glaube gar, der Tor –?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Warum? –

Ich sollte, weißt du, dreißig Reuter stellen,

Sie wieder von dem Kriegsplatz wegzuschaffen,

Ramin hab ich deshalb beordern müssen.

HOHENZOLLERN.

Ei, was! Die sind längst fort! Fort, oder reisen gleich!

Ramin, zum Aufbruch völlig fertig, stand

Die ganze Nacht durch mindstens am Portal.

Doch fort! Zwölf ist's, und eh die Schlacht beginnt,

Wünsch ich mich noch ein wenig auszuruhn.


Beide ab.
[363]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 358-364.
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