Zehnter Auftritt

[390] Der Prinz von Homburg, drei schwed'sche Fahnen in der Hand, Obrist Kottwitz, mit deren zwei, Graf Hohenzollern, Rittmeister Golz, Graf Reuß, jeder mit einer Fahne, mehrere andere Offiziere, Korporale und Reuter, mit Fahnen, Pauken und Standarten, treten auf.


FELDMARSCHALL DÖRFLING sowie er den Prinzen erblickt.

Der Prinz von Homburg! – Truchß! Was machtet Ihr?

DER KURFÜRST stutzt.

Wo kommt Ihr her, Prinz?[390]

DER PRINZ VON HOMBURG einige Schritte vorschreitend.

Von Fehrbellin, mein Kurfürst,

Und bringe diese Siegstrophäen dir.


Er legt die drei Fahnen vor ihm nieder; die Offiziere, Korporale und Reuter folgen, jeder mit der ihrigen.


DER KURFÜRST betroffen.

Du bist verwundet, hör ich, und gefährlich?

– Graf Truchß!

DER PRINZ VON HOMBURG heiter.

Vergib!

GRAF TRUCHSS.

Beim Himmel, ich erstaune!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Mein Goldfuchs fiel, vor Anbeginn der Schlacht;

Die Hand hier, die ein Feldarzt mir verband,

Verdient nicht, daß du sie verwundet taufst.

DER KURFÜRST.

Mithin hast du die Reuterei geführt?

DER PRINZ VON HOMBURG sieht ihn an.

Ich? Allerdings! Mußt du von mir dies hören?

– Hier legt ich den Beweis zu Füßen dir.

DER KURFÜRST.

– Nehmt ihm den Degen ab. Er ist gefangen.

FELDMARSCHALL erschrocken.

Wem?

DER KURFÜRST tritt unter die Fahnen.

Kottwitz! Sei gegrüßt mir!

GRAF TRUCHSS für sich.

O verflucht!

OBRIST KOTTWITZ.

Bei Gott, ich bin aufs äußerste –!

DER KURFÜRST er sieht ihn an.

Was sagst du? –

Schau, welche Saat für unsern Ruhm gemäht!

– Die Fahn ist von der schwed'schen Leibwacht! Nicht?


Er nimmt eine Fahne auf, entwickelt und betrachtet sie.


OBRIST KOTTWITZ.

Mein Kurfürst?

FELDMARSCHALL.

Mein Gebieter?

DER KURFÜRST.

Allerdings!

Und zwar aus König Gustav Adolfs Zeiten!

– Wie heißt die Inschrift?[391]

OBRIST KOTTWITZ.

Ich glaube –

FELDMARSCHALL.

Per aspera ad astra.

DER KURFÜRST.

Das hat sie nicht bei Fehrbellin gehalten. –


Pause.


OBRIST KOTTWITZ schüchtern.

Mein Fürst, vergönn ein Wort mir –!

DER KURFÜRST.

Was beliebt? –

Nehmt alles, Fahnen, Pauken und Standarten,

Und hängt sie an der Kirche Pfeiler auf;

Beim Siegsfest morgen denk ich sie zu brauchen!


Der Kurfürst wendet sich zu den Courieren, nimmt ihnen die Depeschen ab, erbricht, und liest sie.


OBRIST KOTTWITZ für sich.

Das, beim lebend'gen Gott, ist mir zu stark!


Der Obrist nimmt, nach einigem Zaudern, seine zwei Fahnen auf; die übrigen Offiziere und Reuter folgen; zuletzt, da die drei Fahnen des Prinzen liegen bleiben, hebt Kottwitz auch diese auf, so daß er nun fünf trägt.


EIN OFFIZIER tritt vor den Prinzen.

Prinz, Euren Degen, bitt ich.

HOHENZOLLERN mit seiner Fahne, ihm zur Seite tretend.

Ruhig, Freund!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Träum ich? Wach ich? Leb ich? Bin ich bei Sinnen?

GOLZ.

Prinz, gib den Degen, rat ich, hin und schweig!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich, ein Gefangener?

HOHENZOLLERN.

So ist's!

GOLZ.

Ihr hört's!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Darf man die Ursach wissen?

HOHENZOLLERN mit Nachdruck.

Jetzo nicht!

– Du hast zu zeitig, wie wir gleich gesagt,

Dich in die Schlacht gedrängt; die Ordre war,

Nicht von dem Platz zu weichen, ungerufen![392]

DER PRINZ VON HOMBURG.

Helft Freunde, helft! Ich bin verrückt.

GOLZ unterbrechend.

Still! Still!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Sind denn die Märkischen geschlagen worden?

HOHENZOLLERN stampft mit dem Fuß auf die Erde.

Gleichviel! – Der Satzung soll Gehorsam sein.

DER PRINZ VON HOMBURG mit Bitterkeit.

So – so, so, so!

HOHENZOLLERN entfernt sich von ihm.

Es wird den Hals nicht kosten.

GOLZ ebenso.

Vielleicht, daß du schon morgen wieder los.


Der Kurfürst legt die Briefe zusammen, und kehrt sich wieder in den Kreis der Offiziere zurück.


DER PRINZ VON HOMBURG nachdem er sich den Degen abgeschnallt.

Mein Vetter Friedrich will den Brutus spielen,

Und sieht, mit Kreid auf Leinewand verzeichnet,

Sich schon auf dem kurul'schen Stuhle sitzen:

Die schwed'schen Fahnen in dem Vordergrund,

Und auf dem Tisch die märk'schen Kriegsartikel.

Bei Gott, in mir nicht findet er den Sohn,

Der, unterm Beil des Henkers, ihn bewundre.

Ein deutsches Herz, von altem Schrot und Korn,

Bin ich gewohnt an Edelmut und Liebe,

Und wenn er mir, in diesem Augenblick,

Wie die Antike starr entgegenkömmt,

Tut er mir leid, und ich muß ihn bedauren!


Er gibt den Degen an den Offizier und geht ab.


DER KURFÜRST.

Bringt ihn nach Fehrbellin, ins Hauptquartier,

Und dort bestellt das Kriegsrecht, das ihn richte.


Ab in die Kirche. Die Fahnen folgen ihm, und werden, während er mit seinem Gefolge an dem Sarge Frobens niederkniet und betet, an den Pfeilern derselben aufgehängt. Trauermusik.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 390-393.
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