Erster Auftritt

[394] Der Prinz von Homburg. – Im Hintergrunde zwei Reuter, als Wache. – Der Graf von Hohenzollern tritt auf.


DER PRINZ VON HOMBURG.

Sieh da! Freund Heinrich! Sei willkommen mir!

Nun, des Arrestes bin ich wieder los?

HOHENZOLLERN erstaunt.

Gott sei Lob, in der Höh!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was sagst du?

HOHENZOLLERN.

Los?

Hat er den Degen dir zurückgeschickt?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Mir? Nein.

HOHENZOLLERN.

Nicht?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Nein!

HOHENZOLLERN.

– Woher denn also los?

DER PRINZ VON HOMBURG nach einer Pause.

Ich glaubte, du, du bringst es mir. – Gleichviel!

HOHENZOLLERN.

– Ich weiß von nichts.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Gleichviel, du hörst; gleichviel!

So schickt er einen andern, der mir's melde.


Er wendet sich und holt Stühle.
[394]

Setz dich! – Nun, sag mir an, was gibt es Neues?

– Der Kurfürst kehrte von Berlin zurück?

HOHENZOLLERN zerstreut.

Ja. Gestern abend.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ward beschloßnermaßen,

Das Siegsfest dort gefeiert? – – Allerdings!

– Der Kurfürst war zugegen in der Kirche?

HOHENZOLLERN.

Er und die Fürstin und Natalie. –

Die Kirche war, auf würd'ge Art, erleuchtet;

Battrieen ließen sich, vom Schloßplatz her,

Mit ernster Pracht bei dem Tedeum hören.

Die schwed'schen Fahnen wehten und Standarten,

Trophäenartig, von den Pfeilern nieder,

Und auf des Herrn ausdrücklichem Befehl,

Ward deines, als des Siegers Namen –

Erwähnung von der Kanzel her getan.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Das hört ich! – – Nun, was gibt es sonst; was bringst du?

– Dein Antlitz, dünkt mich, sieht nicht heiter, Freund!

HOHENZOLLERN.

– Sprachst du schon wen?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Golz, eben, auf dem Schlosse,

Wo ich, du weißt es, im Verhöre war.


Pause.


HOHENZOLLERN sieht ihn bedenklich an.

Was denkst du, Arthur, denn von deiner Lage,

Seit sie so seltsam sich verändert hat?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich? Nun, was du und Golz – die Richter selbst!

Der Kurfürst hat getan, was Pflicht erheischte,

Und nun wird er dem Herzen auch gehorchen.

Gefehlt hast du, so wird er ernst mir sagen,

Vielleicht ein Wort von Tod und Festung sprechen:

Ich aber schenke dir die Freiheit wieder –[395]

Und um das Schwert, das ihm den Sieg errang,

Schlingt sich vielleicht ein Schmuck der Gnade noch;

– Wenn der nicht, gut; denn den verdient ich nicht!

HOHENZOLLERN.

O Arthur!


Er hält inne.


DER PRINZ VON HOMBURG.

Nun?

HOHENZOLLERN.

– Dess' bist du so gewiß?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich denk's mir so! Ich bin ihm wert, das weiß ich,

Wert wie ein Sohn; das hat seit früher Kindheit,

Sein Herz in tausend Proben mir bewiesen.

Was für ein Zweifel ist's, der dich bewegt?

Schien er am Wachstum meines jungen Ruhms

Nicht mehr fast, als ich selbst, sich zu erfreun?

Bin ich nicht alles, was ich bin, durch ihn?

Und er, er sollte lieblos jetzt die Pflanze,

Die er selbst zog, bloß, weil sie sich ein wenig

Zu rasch und üppig in die Blume warf,

Mißgünstig in den Staub daniedertreten?

Das glaubt ich seinem schlimmsten Feinde nicht,

Viel wen'ger dir, der du ihn kennst und liebst.

HOHENZOLLERN bedeutend.

Du standst dem Kriegsrecht, Arthur, im Verhör,

Und bist des Glaubens noch?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Weil ich ihm stand! –

Bei dem lebend'gen Gott, so weit geht keiner,

Der nicht gesonnen wäre, zu begnad'gen!

Dort eben, vor der Schranke des Gerichts,

Dort war's, wo mein Vertraun sich wiederfand.

War's denn ein todeswürdiges Verbrechen,

Zwei Augenblicke früher, als befohlen,

Die schwed'sche Macht in Staub gelegt zu haben?

Und welch ein Frevel sonst drückt meine Brust?

Wie könnt er doch vor diesen Tisch mich laden,

Von Richtern, herzlos, die den Eulen gleich,

Stets von der Kugel mir das Grablied singen,

Dächt er, mit einem heitern Herrscherspruch,[396]

Nicht, als ein Gott in ihren Kreis zu treten?

Nein, Freund, er sammelt diese Nacht von Wolken

Nur um mein Haupt, um wie die Sonne mir,

Durch ihren Dunstkreis strahlend aufzugehn:

Und diese Lust, fürwahr, kann ich ihm gönnen!

HOHENZOLLERN.

Das Kriegsrecht gleichwohl, sagt man, hat gesprochen?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich höre, ja; auf Tod.

HOHENZOLLERN erstaunt.

Du weißt es schon.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Golz, der dem Spruch des Kriegsrechts beigewohnt,

Hat mir gemeldet, wie er ausgefallen.

HOHENZOLLERN.

Nun denn, bei Gott! – Der Umstand rührt dich nicht?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Mich? Nicht im mindesten.

HOHENZOLLERN.

Du Rasender!

Und worauf stützt sich deine Sicherheit?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Auf mein Gefühl von ihm!


Er steht auf.


Ich bitte, laß mich!

Was soll ich mich mit falschen Zweifeln quälen?


Er besinnt sich und läßt sich wieder nieder. – Pause.


Das Kriegsrecht mußte auf den Tod erkennen;

So lautet das Gesetz, nach dem es richtet.

Doch eh er solch ein Urteil läßt vollstrecken,

Eh er dies Herz hier, das getreu ihn liebt,

Auf eines Tuches Wink, der Kugel preisgibt,

Eh sieh, eh öffnet er die eigne Brust sich,

Und sprützt sein Blut selbst tropfenweis in Staub.

HOHENZOLLERN.

Nun, Arthur, ich versichre dich –

DER PRINZ VON HOMBURG unwillig.

O Lieber!

HOHENZOLLERN.

Der Marschall –[397]

DER PRINZ VON HOMBURG ebenso.

Laß mich, Freund!

HOHENZOLLERN.

Zwei Worte hör noch!

Wenn die dir auch nichts gelten, schweig ich still.

DER PRINZ VON HOMBURG wendet sich wieder zu ihm.

Du hörst, ich weiß von allem. – Nun? Was ist's?

HOHENZOLLERN.

Der Marschall hat, höchst seltsam ist's, soeben

Das Todsurteil im Schloß ihm überreicht;

Und er, statt wie das Urteil frei ihm stellt,

Dich zu begnadigen, er hat befohlen,

Daß es zur Unterschrift ihm kommen soll.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Gleichviel. Du hörst.

HOHENZOLLERN.

Gleichviel?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Zur Unterschrift?

HOHENZOLLERN.

Bei meiner Ehr! Ich kann es dir versichern.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Das Urteil? – Nein! die Schrift –?

HOHENZOLLERN.

Das Todesurteil.

DER PRINZ VON HOMBURG.

– Wer hat dir das gesagt?

HOHENZOLLERN.

Er selbst, der Marschall!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Wann?

HOHENZOLLERN.

Eben jetzt.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Als er vom Herrn zurückkam?

HOHENZOLLERN.

Als er vom Herrn die Treppe niederstieg! –

Er fügt' hinzu, da er bestürzt mich sah,

Verloren sei noch nichts, und morgen sei

Auch noch ein Tag, dich zu begnadigen;

Doch seine bleiche Lippe widerlegte

Ihr eignes Wort, und sprach: ich fürchte, nein!

DER PRINZ VON HOMBURG steht auf.

Er könnte – nein! so ungeheuere[398]

Entschließungen in seinem Busen wälzen?

Um eines Fehls, der Brille kaum bemerkbar,

In dem Demanten, den er jüngst empfing,

In Staub den Geber treten? Eine Tat,

Die weiß den Dei von Algier brennt, mit Flügeln,

Nach Art der Cherubinen, silberglänzig,

Den Sardanapel ziert, und die gesamte

Altrömische Tyrannenreihe, schuldlos,

Wie Kinder, die am Mutterbusen sterben,

Auf Gottes rechte Seit hinüberwirft?

HOHENZOLLERN der gleichfalls aufgestanden.

Du mußt, mein Freund, dich davon überzeugen.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Und der Feldmarschall schwieg und sagte nichts?

HOHENZOLLERN.

Was sollt er sagen?

DER PRINZ VON HOMBURG.

O Himmel! Meine Hoffnung!

HOHENZOLLERN.

Hast du vielleicht je einen Schritt getan,

Sei's wissentlich, sei's unbewußt,

Der seinem stolzen Geist zu nah getreten?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Niemals!

HOHENZOLLERN.

Besinne dich!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Niemals, beim Himmel!

Mir war der Schatten seines Hauptes heilig.

HOHENZOLLERN.

Arthur, sei mir nicht böse, wenn ich zweifle,

Graf Horn traf, der Gesandte Schwedens, ein,

Und sein Geschäft geht, wie man hier versichert,

An die Prinzessin von Oranien.

Ein Wort, das die Kurfürstin Tante sprach,

Hat aufs empfindlichste den Herrn getroffen;

Man sagt, das Fräulein habe schon gewählt.

Bist du auf keine Weise hier im Spiele?

DER PRINZ VON HOMBURG.

O Gott! Was sagst du mir?

HOHENZOLLERN.

Bist du's? Bist du's?[399]

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich bin's, mein Freund; jetzt ist mir alles klar;

Es stürzt der Antrag ins Verderben mich:

An ihrer Weigrung, wisse, bin ich schuld,

Weil mir sich die Prinzessin anverlobt!

HOHENZOLLERN.

Du unbesonnener Tor! Was machtest du?

Wie oft hat dich mein treuer Mund gewarnt?

DER PRINZ VON HOMBURG.

O Freund! Hilf, rette mich! Ich bin verloren.

HOHENZOLLERN.

Ja, welch ein Ausweg führt aus dieser Not?

Willst du vielleicht die Fürstin Tante sprechen?

DER PRINZ VON HOMBURG wendet sich.

– He, Wache!

REUTER im Hintergrunde.

Hier!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ruft euren Offizier! –


Er nimmt eilig einen Mantel um von der Wand, und setzt einen Federhut auf, der auf dem Tisch liegt.


HOHENZOLLERN indem er ihm behülflich ist.

Der Schritt kann, klug gewandt, dir Rettung bringen.

– Denn kann der Kurfürst nur mit König Karl,

Um den bewußten Preis, den Frieden schließen,

So sollst du sehn, sein Herz versöhnt sich dir,

Und gleich, in wenig Stunden, bist du frei.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 394-400.
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