Fünfter Auftritt.

[17] Lysimon und Isabelle.


LYSIMON. Grüß dich Gott, mein Kind! denk nur, was mir die Clarisse von dir weis macht, als ob du so gern heyrathen möchtest.

ISABELLE. Die Wahrheit zu gestehn, Papa, sie wissen, ich bin freymüthig und munter, ich sähe es also von Herzen gern, wenn sie mir einen Mann geben wollten.

LYSIMON. Kind, zu dem Unglücke kömmst du immer noch früh genug. Wenn du bedächtest, wie heutiges Tages die Männer sind, du würdest dich ganz anders entschließen. Sieh nur, wenn ein Frauenzimmer die Einsamkeit liebt, so ist ihr ein einziger Mann zu viel, und liebt sie Gesellschaft, so ist ihr ein einziger Mann wieder zu wenig. Es ist heutiges Tages so. Bleibt der Mann gern zu Hause so, möchte er oft rasend werden, wenn sein Weib nicht ausgeht; und ist sie aus, so ist er halb tod vor Furcht, daß sie wieder nach Hause kommen möchte.

ISABELLE. Nein, nein, Papa, es wird doch nicht so gar gefährlich seyn. Es wagen es so viele, warum soll ich es nicht auch wagen?

LYSIMON. Schlimm gnug; du verstehst es noch nicht so gut.

ISABELLE. Bedenken sie, Papa, daß man in jedem Stande seine Beschwerlichkeiten hat, warum denn –

LYSIMON. Aber der Mann wird dich plagen.

ISABELLE. So werde ich ihm mit Lustigkeit begegnen.

LYSIMON. Er wird dich gering schätzen.

ISABELLE. Mein Betragen wird so gegen ihn seyn, daß es ihm gewiß niemals in den Sinn kommen soll, mich gering zu schätzen.[18]

LYSIMON. Er wird dir dein Geld verthun.

ISABELLE. So werde ich ihm keines geben.

LYSIMON. So wird er Schulden machen, er wird dir die Gläubiger über den Hals schicken.

ISABELLE. So werde ich keinen zahlen.

LYSIMON. Er wird verreisen, er wird durchgehn, er wird dich mit deinen Kindern sitzen lassen.

ISABELLE. So werde ich bethen, daß er niemals wieder zurückkömmt.

LYSIMON. So willst du also in dein Unglück rennen?

ISABELLE. Lieber Papa, bedenken sie, ich habe drey Liebhaber; man sagt mir überall, daß die Mannsbilder alle Tage rarer werden, welche Weiber nehmen wollen, weil der Pracht täglich steigt, weil ihn ein Mann, der bey Ehren bleiben will, kaum mehr aushalten kann, weil so viele ihre Männer durch ihren Staat so weit bringen, daß sie Cassen und alles angreifen und zu Schelmen werden müssen. Wie oft theilen sich nicht drey und noch mehr Frauenzimmer in einen einzigen von unsern windigen Stutzeramanten, die bloß abgeschmacktes Zeug vorbringen? und ich habe drey ernstliche Amanten, und alle drey haben die aufrichtige Absicht zu heyrathen.

LYSIMON. Es ist alles recht; aber glaubst du denn, daß sie dir so demüthige Reverenzen machen würden, wenn sie nicht wüßten, daß ich ein bissel Geld hätte?

ISABELLE. Wenn sich aber ein Mann anheischig macht, seine ganze Lebenszeit hindurch mit einem Frauenzimmer zu leben, für ihre Bequemlichkeiten, deren sie so viel braucht, zu sorgen, ihre Schwachheiten, denen wir so oft unterworfen sind, zu ertragen, zu erleichtern; soll man denn hernach einem Manne nicht ein[19] wenig Interesse vergeben, wenn er auf ein Vermögen sieht, das ihn in den Stand setzet, seine Frau desto anständiger zu versorgen?

LYSIMON. Ey du Advokatin, du. Warte, ich werde dir ein Buch geben; es heißt die Lust und Unlust der Ehe, und hat drey Bände. Das Kapitel von der Lust enthält die erste Seite vom ersten Blatt im ersten Theil, und das Kapitel von der Unlust enthält alles das Uebrige.

ISABELLE. Ich glaube es gern, Papa! aber ich werde deswegen doch heyrathen, wenn sie mir es erlauben wollen.

LYSIMON. Aber, Kind, willst du mich denn in meinen alten Tagen verlassen? mein Gesicht ist geschwächt, kaum erblicke ich mehr das Tagslicht; mein Gehör wird auch schwächer, ich nähere mich jeden Tag mit starken Schritten dem Grabe; kannst du es denn übers Herz bringen, mich zu verlassen, meine Tochter?

ISABELLE. Nein, lieber Papa, das war nie meine Absicht sie zu verlassen; Gott friste ihnen ihr Leben noch lange, ich werde beständig kindlichen Gehorsam für sie haben, und –

LYSIMON. Laß dich umarmen, mein Kind, du bist meine würdige Tochter, nun itzt bin ich schon wieder zufrieden.

ISABELLE. Ich habe nur geglaubt, wenn ich einem Manne mit ihrer Einwilligung meine Hand gäbe, so müßte er sich entschließen, hier zu leben, und seine Sorgfalt mit der meinigen vereinen, damit wir ihnen das Leben desto angenehmer machen könnten.

LYSIMON. Dein Herz wird aber gar zu sehr getheilet werden –

ISABELLE. Fürchten sie doch das nicht, Papa.

LYSIMON. Und hernach, dir die Wahrheit zu sagen, alle deine drey Amanten stehn mir nicht recht an.[20]

ISABELLE. Der Leander?

LYSIMON. Weil er ein Edelmann ist, und zu wenig Geld dazu hat.

ISABELLE. Der Clitander?

LYSIMON. Der hat wieder zu viel Geld.

ISABELLE. Der Cleon?

LYSIMON. Den magst du wieder nicht recht.

ISABELLE. Was soll ich denn also thun?

LYSIMON. Ich muß dir nur offenherzig beichten; schau, ich möchte gern einen Eidam, der so meine Neigung träfe; aber ich sähe gern, wenn er Geschicklichkeit gnug besäße, sie zu errathen. Nun weißt du selbst, daß es noch keinem von allen dreyen gelungen ist, folglich –

ISABELLE. Ich glaube Leandern und Clitandern reden zu hören.

LYSIMON. Geh itzt mit herein, und gieb mir mein Frühstück, wir wollen hernach mit ihnen reden.


Quelle:
Chr[ristian] G[ottlob] Klemm: Der auf den Parnass versetzte grüne Hut. Wien 1883, S. 17-21.
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