Achter Auftritt.

[24] Leander und Isabelle.


ISABELLE. Itzt sagen sie mir, warum man eben traurig seyn muß, wenn man verliebt ist?

LEANDER. Ach! wenn man wahrhaftig liebt, so fürchtet man immer das Geliebte zu verlieren, und das – O liebe Isabelle, ich liebe sie auf das innigste, mein theurester Wunsch ist, an ihrer Seite zu leben; und weil ich noch so große Hindernisse sehe, so bin ich im höchsten Grade unruhig, daß ich sie verlieren möchte; ach, wenn sie ihre Hand einem andern reichen, so bin ich den Rest meines ganzen Lebens unglücklich.

ISABELLE. Ich kenne ihre Zärtlichkeit, ich werde sie vielleicht, so traurig,[24] so ernsthaft sie auch immer sind, Clitandern vorziehn; nur disponiren sie meinen Vater, denn ohne seine Einwilligung habe ich ihm gelobt, nicht zu heyrathen.

LEANDER. Und also, wenn ihr Papa –

ISABELLE. Dann werde ich mit Freuden die Ihrige seyn.

LEANDER. O liebste Isabelle, sie wollen meine Gattin werden? ich sehe dieses Opfer mit den Augen meines Freundes Handsam an. Wie viel heißt dieß nicht fodern, wenn man von einer Schöne erlangt, daß sie uns ihr Schicksal übergeben soll? Sie ist in ihres Vaters Haus ruhig, die Lebensart da von Jugend auf gewohnt, und ich will, daß sie meine Unruhe mit mir theilen, und sich an meine Lebensart gewöhnen soll? Sie hat sich an den Umgang mit ihren Bekannten gewöhnt, und ich führe sie in eine ganz fremde Gegend? Man hat ihr theils aus Gewohnheit, theils aus Empfindung, wo nicht Schmeicheleien, doch wenigstens das gesagt, daß man sie liebenswürdig finde; und künftig darf sie, ohne zu erröthen, sich das von niemand, als von ihrem Manne sagen lassen? Sie ist gewohnt, in ihrer Aeltern Hause zu gebieten, und niemand außer ihren Aeltern zu gehorchen; und ich soll stolz ihr Herr werden, sie soll sich meinem Willen in allem unterwerfen? Sie ist gesund, und indem sie mir ihr Herz giebt, setzt sie sich einem Stande aus, in dem sie die allerheftigsten Schmerzen dulden wird. Sie sey so einsehend, als sie immer wolle, so vermuthet sie mehr Süßigkeiten in der Ehe, als ihr der Mann versprechen kann; wenigstens wird sie nie so völlig glückliche Augenblicke zählen, als die Erwartung ihres unschuldigen Herzens, oder die Gespräche der Thoren ihr versprechen. Sehn sie, was für Verwegenheit dazu gehört, eine Freundin, bloß weil sie uns gefällt, zu diesem manigfaltigen Elende aufzufodern?

ISABELLE. O mein liebster Leander, sagen sie ja diese Betrachtungen keinem ledigen Frauenzimmer, sonst heyrathet gewiß keine einzige mehr.[25]

LEANDER. Ich glaube, da kömmt Cleon.

ISABELLE. O der muß doch immer zur Unzeit kommen.


Quelle:
Chr[ristian] G[ottlob] Klemm: Der auf den Parnass versetzte grüne Hut. Wien 1883, S. 24-26.
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