Siebender Auftritt.

[42] Die Vorigen, Hannswurst als ein Gelehrter.


HANNSWURST. Wo ist der Hr. Lysimon?

LYSIMON. Hier bin ich. Mit wem –

HANNSWURST. Das müssen sie gleich aus meiner Aussprache hören, daß ich ein Gelehrter bin.

CLEON. Den will ich erwischen.

LYSIMON. Der Sohn von dem Herrn, der itzo –

HANNSWURST. Ja, er hat die Ehre, daß ich sein Sohn bin.

CLEON. Was sind sie denn für ein Gelehrter?

HANNSWURST. Worinn sie es haben wollen, ich habe alles gelernt; und ob ich mich sonst gleich nicht gern lobe, so sage ich ihnen doch, daß ich mit allen den armen Teufeln Mitleiden habe, denn keiner versteht was, als ich.[42]

CLEON. Ey, das bitte ich mir aus.

HANNSWURST. Was können die armen Narren davor, daß kein so feuriges Genie in ihrem Kopfe schwärmt.

LYSIMON. Nu, so sagen sie mir nur, worinn eigentlich ihre Stärke besteht.

HANNSWURST. In allen. Aber ich sehe schon, ich muß mich verständlich machen; sie sind ein Kaufmann, sie können nichts dafür, daß sie ein Ignorant sind. Erstlich bin ich ein Kunstrichter.

CLEON. Ha, der mag mir auch der rechte Critikus seyn.

HANNSWURST. Was, was? Es mag erscheinen, was will, so packe ich es an, denn es kann unmöglich gut seyn, weil ich es nicht gemacht habe.

CLEON. Und wie greifen sie es denn an?

HANNSWURST. Ich sage dem Autor ohne Anstand, daß er ein schlechter Schriftsteller ist, weil er mich nicht zu Rathe gezogen hat.

LYSIMON. Und wenn er sie zu Rathe zieht?

HANNSWURST. Da stelle ich ihm so viel daran aus, daß er es nicht mehr brauchen kann.

CLEON. Gesetzt aber: es gefällt gleichwohl den Leuten, wenn es ihnen auch nicht gezeigt worden ist?

HANNSWURST. Da mache ich sie aus.

LYSIMON. Das ist aber nicht höflich.

HANNSWURST. Dafür bin ich ein Critikaster. Sie sollen ohne meine Erlaubniß nichts schön finden.[43]

LYSIMON. Machen sie sich aber bey den Leuten nicht verhaßt, wenn sie etwas verachten, daß ihnen gefallen hat?

HANNSWURST. Ey was! wie gesagt, warum sind sie so dumm, und finden etwas schön, das ich nicht dafür ausgebe? Ein anders ist, wenn etwas gefällt, das ich gesehn habe, da bin ich schon hernach so klug, daß ich mir es selbst zueigne.

LYSIMON. Aber, mein Herr, dumme Leute loben nach Empfindung.

HANNSWURST. Und wir andern Gelehrten, wir Klugen nach Absichten.

CLEON. Nu, er gefällt mir gleichwohl so übel nicht; er ist dreist, und schwatzhaft.

HANNSWURST. Denken sie, ich habe es doch schon so weit gebracht, daß der grüne Hut nicht mehr so gefällt.

CLEON. Wer ist der grüne Hut?

HANNSWURST. Das ist eine Person auf dem Theater, die deßwegen eine sonderbare einfältige Kleidung gewählet hat, weil sie in der Tracht Wahrheiten sagen kann, die man einem Lakey in der Livree niemals verzeihen würde.

LYSIMON. Ist denn das nicht lustig?

HANNSWURST. Nein, es ist wider den guten Geschmack.

LYSIMON. Was ist denn der gute Geschmack?

HANNSWURST. Was ich davor ausgebe. Nichts lustiges, aber lange moralische Abhandlungen, wobey man ruhig ausschreiben kann, ohne daß man sich weiter weh zu thun braucht, und wodurch man recht mit Bequemlichkeit die Leute einschläfert –[44]

LYSIMON. Ich verstehe sie nicht.

HANNSWURST. Das glaube ich; sie haben halt mit lauter Procenten zu thun gehabt.

CLEON. Also sind sie vermutlich schon lang ein Schriftsteller? Ich kenne sie nicht.

HANNSWURST. Was? sie kennen mich nicht? das sollte mir ein anderer sagen. Lesen sie einmal die Zeitungen, gehn sie in die Kaffehäuser, fragen sie einmal die Comödianten, denen ich das Leben so sauer mache. Der Teufel! sie kennen mich nicht?

LYSIMON. Was sind sie denn weiter?

HANNSWURST. Ein Poet, ein schöner Geist, ein –

CLEON. Ein Poet? ein Deutscher?

HANNSWURST. Nu, was denn sonst?

CLEON. Ich habe noch in keinem einzigen deutschen Poeten eine gescheide Zeile gefunden, nur in auswärtigen.

HANNSWURST. Was? in meinen Versen nicht?

CLEON. Nein.

HANNSWURST. Wären sie nicht so tief unter mir, so wollte ich sie –

CLEON. Was?

HANNSWURST. Sie sind ein Idiot.

CLEON. Und sie ein Ignorant.

HANNSWURST zieht den Degen heraus. Kommen sie, wenn sie Herz haben. Läuft fort.[45]

CLEON. Ja, auf den Degen – warte, Läuft ihm nach.


Quelle:
Chr[ristian] G[ottlob] Klemm: Der auf den Parnass versetzte grüne Hut. Wien 1883, S. 42-46.
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