Dritte Scene.

[18] Faust in einem bis auf die Knie hinabreichenden weiten schwarzen Ueberkleide und mit einem viereckten schwarzen Barette auf dem Haupte.

Die Vorigen.


FAUST tritt, die Bibel in der Hand, finster und wild in sich grollend, ein.

Da bin ich wieder! Jetzo nimm mich hin!

KÄTHE die auf ihn zueilt.

Mein Faust! Mein lieber Faust!

FAUST blickt erst jetzt düster auf.

Ihr seid noch wach –

Und hier an diesem Ort –?

KÄTHE.

Wir harrten dein

Bis in die Nacht!

FAUST.

Wozu?

KÄTHE.

Selbst Vater Diether

Entsagte deinetwegen seiner Ruhe![18]

DIETHER murrend.

Er grüßt den Vater nicht!

FAUST kurz.

Ich grüße euch!

DIETHER.

Gott grüße euch! So heißt der rechte Spruch!

FAUST wie vorher.

Mein'twegen!

DIETHER.

Hörst du, Käthe?

KÄTHE Faust liebkosend.

Lieber Faust! –

Du bliebst so lange fort!

FAUST.

Inspruck ist weit!

KÄTHE.

Hast du denn keinen Blick für deine Käthe?

FAUST.

Verlaß mich, ich will schlafen!

KÄTHE.

Gott, wie wild! –


Sehr erschüttert.


So träumt' ich mir das Wiedersehen nicht.[19]

FAUST.

Ich auch nicht! – Hörst du meine Rosse schnauben,

Womit ich heimzukehren dir versprach?

WAGNER.

Der Sturm saus't draußen, Rosse scheinen's nicht.

FAUST wild lachend.

Der Sturm? Haha! – Du witterst die Naturen,

Mein Freund! – Der Sturm, ganz recht, hat mich zerpeitscht;

Die Rosse aber sind noch weit dahinten,

Und ich bin ihnen immer vorgelaufen,

Mit meiner Bibel unterm Arm, von Inspruck!

DIETHER schaudernd.

Wie ist sein Ton verändert!

FAUST.

Auch das Kettchen,

Das ich zum Sonntagsschmucke dir gelobte;

Ich hatt' es wohl mir um sein Wort verdient,

Daß in der Kirche dich das Kettchen zierte –


Er wirft grollend einiges Geld auf den Boden.


Hier hast du meine letzten Kupferdreier,

Die laß dir sein auf einen Faden reihen,[20]

Und häng sie um den Hals; – ein theurer Schmuck!

Ist's doch fürwahr des Faustes ganze Habe!

KÄTHE.

So ist dir deine Hoffnung fehl geschlagen?

FAUST.

Ja fehl und dreimal fehl! – der Kaiser Mar

Braucht Geld zum Türkenzuge! – Kunst und Wissen,

Die wirft man zu den Bettlern aus der Thüre!

Und mich nun gar, mit meiner Druck-Erfindung,

Mich zählt man zu den Ketzern, und die Mönche,

Sie schreien laut aus ihren Klosterlöchern,

Daß ich dadurch sie um den Wein bestehle

Für ihren Schreiberlohn; – und noch um mehr,

Sobald die Menschen wirklich lesen lernen.

KÄTHE schmiegt sich an ihn.

O rolle nicht so wild die dunkeln Augen!

FAUST etwas vortretend.

So hab' ich denn mein Hirn und meine Habe

Umsonst vergeudet – ja für Haß und Undank!

Die Wissenschaft betrog mich um den Preis,

Und gab statt Wahrheit mir den ew'gen Zweifel! –[21]

Die Kunst – verdammt! Die Kunst macht mich zum Bettler,

Und was ich für die Nachwelt kühn errungen,

Zahlt mir den Lohn voraus im Hungertode!

Noch mehr der Himmel selbst – –


Er schleudert wild die Bibel auf den Boden.


Ha Trotz geboten!


Ein donnerähnlicher Sturm fährt durch das Zimmer.


KÄTHE aufschreiend.

Was thust du, Faust!

FAUST wild und heftig.

Es gibt noch andre Mächte!

DIETHER haftig.

Was ist geschehn?

WAGNER.

Ein Donnersturm erschüttert

Den Grund des Hauses!

KÄTHE behend.

Weh', es ist die Bibel,

Die du zu Boden warfst! – Das bringt dir Unglück!

DIETHER will auf ihn zu.

Die Bibel – Bube![22]

KÄTHE drängt sich ihm entgegen.

Er that's ohne Wissen!

WAGNER schaudernd.

Das ist entsetzlich!

KÄTHE die Fausts Hand ergriffen.

Ich will für dich beten,

Ob dieser Sünde!

FAUST grimmig.

Beten? Weiber beten!

Ein Mann kann trotzen, drohen!

KÄTHE angstvoller in ihn dringend.

Weh! Nicht lästern!

FAUST wild fortfahrend.

Kann zürnen, donnern –

KÄTHE wie vorher.

Faust!

FAUST stößt sie heftig von sich.

Zurück von mir!

DIETHER.

Ha, laßt mich zu ihm!

KÄTHE außer sich.

Welcher Augenblick![23]

WAGNER.

Hört ihr den Sturm –

DIETHER.

Wie Weltenuntergang!

FAUST.

Und wenn ihm Erd' und Himmel treulos werden,

So wagt er's mit der Hölle gegen beide!


Er stürzt ab.


DIETHER.

O wehe!

KÄTHE.

Faust!

WAGNER.

Welch fürchterliche Stunde!


Alle ihm nach.


Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 18-24.
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