[24] Finstere Gegend; im Hintergrunde zur rechten Seite ein Kirchhof mit einer Kapelle, deren altgothische Fenster erleuchtet sind.
CHORALARTIGER GESANG in der Kapelle.
Tuba mirum spargens sonum
Per sepulchra regionum
Coget omnes ante thronum![24]
FAUST tritt auf.
Was will der finstre Sang um Mitternacht?
Erblickt die Kapelle.
Ja so – es ist St. Clarens Todtenacker! –
Warum mußt' ich die Kirche nicht vermeiden?
Gab's doch der Wege mehr zum Spessar Walde!
GESANG wie vorher.
Mors stupebit et natura,
Cum resurget creatura
Judicanti responsura!
FAUST.
Man singt das Requiem für einen Todten!
Ein mitternächtlich grauses Werk – wie meins!
Zusammenschaudernd.
Was flüstert um mich her? – Nicht doch, es war
Der Wiederhall von meiner eignen Stimme,
Der leise rückruft aus den Grabgewölben! –
Ha, todt ist todt! – Was wollen denn die Todten,
Daß sie mich hier an ihre Schwelle bannen?
Noch ist die Brüderschaft zu früh, ihr Herren
Mit euern nackten Glatzen; Faust verhungert
Der Welt und euch fürwahr nicht zu Gefallen!
Zu kühn hab' ich gestrebt, zu hoch gewaltet,[25]
Um drunten schon den Tanz mit euch zu klappern!
Vollkräftig steh' ich da, und zwingen will ich
Das Leben, mir zu dienen, wenn sich's weigert!
Heftiger.
Ja zwingen, zwingen – denn die Macht ist mein!
Und frei ist auch hier in der Brust der Wille!
Er will fortschreiten, hält aber plötzlich wieder inne.
Doch künftig? – Wenn ich künftig zu cuch komme?
Was grinset ihr mir euer künftig zu?
Giebt's dann ein künftig jenseit eurer Schwelle?
Ich habe darum Höhere befragt,
Als euch Geschorne in den Zellen drunten;
Das ganze Wissen hab' ich durchgestürmt –
Doch Nichts! ist mir zur todten Antwort worden!
Mit größerer Heftigkeit.
So soll denn eine andre Pforte springen,
Wozu ich mir den Schlüssel kühn erobert,
Und wollte man mich droben nicht erhören,
Ha denn – so soll man unten mir gehorchen!
Er will abgehen.
GESANG wie vorher.
Quid sum miser tunc dicturus,
[26] Quem patronum rogaturus,
Cum vix justus sit securus!
FAUST zurücktaumelnd.
Was soll der Zuruf? – Warum grade jetzo?
Könnt ihr nicht eure Todten still begraben,
Statt uns so fürchterlich dabei zu mahnen? –
Er versinkt in Nachdenken.
Wohl gab es eine Zeit – ich denke ihrer –
Wo jene Töne mir zum Herzen sprachen! –
Du schönes Traumbild meiner Jugendjahre,
Der süßen Unschuld frommer Kinderglaube,
Du bist dahin, und kehrst mir nimmer wieder!
Hier war mein Spielplatz, am St. Claren Kirchhof,
Der Mutter Grab schuf ich zum Blumengarten,
Und als ihm eine Lille entsprossen,
Erschien sie mir der Lichtglanz ihrer Seele! –
Ergriffen.
Die Mutter ruht dort auch!
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