Vierte Scene.

[61] Wagner. Faust.


WAGNER.

Ich wollte bei dem Wagen Dienste leisten;

Doch euer Führer saus'te schnell von hinnen.

Wenn er im Orte nur zurecht sich findet!

FAUST.

Laß den, mein Freund, der kennt schon seine Wege!

WAGNER.

Im übrigen verblieb ein Hund zurück,

Ein schwarzer Pudel, fast ein häßlich Thier,

Er knurrte bös mich von der Seite an,

So höflich ich auch mit der Zunge schnalzte,

Und fletschte, als ich fortfuhr, wild die Zähne.

FAUST.

Laßt ihn zufrieden; er gehorcht nur mir![61]

WAGNER.

Jetzt hat er tief im Winkel sich verkrochen,

Doch grüne Augen leuchten aus dem Dunkel! –

Nun aber laßt, mein lieber guter Meister,

Noch einmal eure Hand mich herzlich küssen!

FAUST mit Innigkeit.

Mein Freund!

WAGNER.

Ach, wie ich mich nach euch gesehnt!

Zur Nachtzeit oft in meiner engen Kammer,

Wann mir die Wissenschaft das Haupt verwirrte,

Da dacht' ich eurer, wie ihr mich berathen,

Mit tiefen Lehren, die zum Herzen drangen!

Die neuen Herren haben's nur in Worten,

Das klingt und schallt denn wohl recht hochgelahrt,

Doch flieht's vorüber ohne Frucht und Ernten!

FAUST.

Frisch auf, mein Freund! Drum trenne dich vom Wissen!

Minervens Schild ist ein Medusenhaupt,

Vor dessen Blick das Leben sich versteinert;

Doch Aphrodite, Phöbus und Lyäus,[62]

Die schließen einen heitren Zauberkreis,

In dessen Mitte Feuerblüthen prangen!

WAGNER.

Doch ließ ich's nie am guten Willen fehlen!

FAUST.

Du zählst dich nicht zu jenen Herrschergeistern,

Die kühn erobernd rastlos vorwärts dringen,

Obgleich sie dennoch an der Laufbahn Ziele

Ihr Banner nur in öde Trümmer pflanzen! –

Drum schlag das Buch des finstern Wissens zu,

Und folge mir hinaus in's freie Leben!

WAGNER.

Das klingt so dreist und wild!

FAUST.

Schulfüchserei

Ist alles Uebrige! – Ich bin dir gut,

An dich gewöhnt seit jener düstern Zeit!

Darum bleib bei mir, mehr als Freund, denn Diener;

Ich habe Gut und Wohlseyn für dich übrig,

Und alles läuft zuletzt doch darauf hin!

WAGNER.

Wenn man so Böses nur nicht munkelte![63]

FAUST.

Was munkelt man? Die alte Leier wieder!

WAGNER.

Ich sah ja selbst die blauen Höllenflammen,

Im Spessar drüben!

FAUST.

Thor! Gewitterstrahlen! –

Auch scheue dich so ängstlich nicht vorm Brennen;

Ist doch das Feuer wohl ein gutes Ding,

Es kocht den goldnen Wein uns an den Bergen,

Es röthet Wang' und Lippen zum Genusse,

Und wenn Begeisterung uns glühend naht,

Wenn hell und weit das Leben sich eröffnet,

Dann steigen wir empor auf Feuerschwingen!

WAGNER ernst.

Auch in der Tiefe brennt's –

FAUST kühn einfallend.

Die Erde schwängernd!

Daß sie den Frühling schwellend in sich trage,

Und ihn gebäre an das Licht der Sonnen,

In Duft und Farben und in tausend Blüthen!

WAGNER.

O ihr betäubt mich![64]

FAUST.

Leiste kühn den Handschlag!


Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 61-65.
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