Zweite Scene.

[84] Die Vorigen ohne die Studenten und den Kellner.


WAGNER bebend, mit gefaltenen Händen.

Joseph, Maria! Meine Glieder beben! –

Mein armes Trommelfell – der Donnerschlag –

Der blaue Blitz – nein, das sind schwarze Künste!

FAUST lachend.

Electrische Versuche, Thor! Nichts weiter!

Log doch der Kerl – –


Indem er den Fremden erblickt.


Wir sind hier nicht allein!

DER FREMDE der ruhig sitzen blieb und sorttrank.

Ihr donnert brav![84]

FAUST betroffen.

Verzeiht, – mein Herr!

DER FREMDE ruhig.

Ich liebe

Experimente und Physik, als Spielwerk

Zur Unterhaltung!

FAUST wie vorher.

So!?

DER FREMDE ruhig fortfahrend.

Und kann auch donnern;

Noch besser blitzen! – Denn mein Katzenfell –

Wenn man's zu streichen weiß – sprüht ächte Funken!

WAGNER der den Fremden betrachtete, leise zu Faust.

Ein Physicus! – Er sieht mir ganz verwildert!

FAUST betroffen in sich hinein.

Ich weiß nicht recht!

FREMDER wie in einem halben Rausche, trinkend.

Wohlauf! Der Wein soll leben!

FAUST beruhigt für sich.

Der Trunk läßt ihn so im Gesichte glühen!

FREMDER hält ihm das Glas entgegen.

Nun bringt mir's wieder – auf des Weins Gesundheit! –[85]

Wenn er nur nicht so wild im Haupte machte;

Ich tränke sonst noch heut ein Stückfaß aus!

WAGNER faltet die Hände.

Gott schütze uns!

FREMDER zerschmeißt heftig sein Glas.

Ei, in des Teufels Namen –

Was schwatzt der Herr von schützen–!

WAGNER zieht sich zurück.

Ei, wie hitzig!


Für sich.


Dem trunknen Mann soll man den Weg nicht sperren!

FREMDER gießt sich ein anderes Glas voll.

Das kostet neu Krystall! –


Zu Faust.


Macht's euch bequem!

Und klingt mit an: Der Feuergeist soll leben!


Er stößt mit Faust an.


Ihr wißt schon, was ich meine!

FAUST halb gezwungen.

Er soll leben!

WAGNER für sich.

Der Feuergeist – was für ein Doppelsinn;

So könnte man den Teufel auch benennen![86]

FREMDER zu Wagner, ihm das Glas entgegenhaltend.

Nun Freund, thut auch Bescheid!

WAGNER zieht sich zurück.

Ich hab' mein Theil;

Ein Tropfen mehr läßt mich im Kreise drehen!

FREMDER fixirt ihn.

Ein Neuling noch – wird mit der Zeit schon werden!

WAGNER für sich.

Der Kerl verbrennt mich fast mit seinen Augen!

Mir wird so heiß und bang!

FREMDER zu Faust.

Euch mundet's auch nicht!

Wohlauf denn – eine andere Gesundheit:

Die Weiber!! – Doch da muß der Wein erst brennen!


Er zündet den Spiritus im Glase an.


Das ist die Feuertaufe! –


Das Glas schwenkend.


Hoch die Weiber!!

FAUST stößt erhitzt an.

Die Weiber! hoch!

WAGNER sieht dem Fremden angstvoll zu.

Herrgott, er säuft die Flammen![87]

FREMDER.

Ha! das ertönt wie eine Glocke – hoch! –

Ich hab' auch eins mit rosenrothen Wangen,

Mit schwarzen Ringellocken, dunkeln Augen,

In denen Nacht und Inbrunst heimlich glühen,

Indeß die weiße Brust vor Sehnsucht schwellt!

FAUST macht eine Bewegung und blickt dann heiß vor sich hinaus.

WAGNER für sich.

Er malt recht reizend in der Trunkenheit!

FREMDER.

Um ihrentwillen spornte ich mein Roß,

Die Reise zu ihr stürmend zu vollenden,

Und wenn der Wein nicht so im Haupte braus'te,

So schwelgt' ich schon zur Nacht in weichen Armen;

Doch der macht mich so dumpf – so heiß – und wüst!


Er reißt sich das Brustwamms auf, aus dem ein weibliches Portrait fällt.


FAUST erblickt es, und reißt es außer sich vor seine Augen.

Was ist das?!

FREMDER dehnt sich wie in steigender Trunkenheit.

Nun, mein Weib – wißt ihr es anders? –

Nicht wahr – haha? – das heiß' ich Feueraugen –[88]

Und solche Lippen –! – Küßtet wohl schon manche?

Doch nur auf solchen Lippen – heißt's ein Kuß!

FAUST kaum der Sprache mächtig.

Sie ist –?

FREMDER noch betäubter.

Mein Weib – ja, Herr, in's Teufels Namen!

Helene heißt sie – heidnisch noch getauft! –

Ihr Landhaus, dicht vor Wittenberg gelegen,

Ist neu erbaut – ich häuste Gold auf Geld,

Es blitzschnell zu vollenden! Drinnen prangt sie –

Und –


In stärkerer Trunkenheit.


wenn der Wein nicht immer wilder braus'te,

So tauscht' ich meine Nacht – mit keinem König!


Er stützt den schweren Kopf auf die Hand und scheint einzuschlummern.


FAUST stürzt mit dem Bilde in den Vordergrund.

Sie ist's! Sie ist's! – Sie lebt – ich weiß es, wo!


Außer sich.


Sie lebt! Sie lebt!

WAGNER besorgt.

Herr, mäßigt eure Stimme!

Der wilde Mensch dort –[89]

FAUST hinblickend.

Er erliegt dem Weine!


Das Portrait anschauend.


Sie ist's! – Der Mund – die Lippen und die Augen!


Küßt das Bild.


Der süße Mund – ha, fühlte ich dich glühen,

Mein Leben gäb' ich drum! – Die seidnen Locken,

Wie sie mit Liebesbanden mich umgarnen,

Wie dieser Augen heiße Feuergluth

In mir zu Flammen sich entzündet –

WAGNER angstvoll einfallend.

Wehe!

Ihr brecht die Ehe euerm treuen Weibe!

FAUST wild.

Was soll mein Weib! – Es giebt nur eins auf Erden –

Und dieses ist's! –

WAGNER wie vorher.

Gott, wenn der Mann es hörte!

FAUST.

Der Mann? – Wer ist ihr Mann? – Ha, jener dort?

Mit tausend Männern wollt' ich um sie kämpfen![90]

Und dieser Trunkene – hat er's verdient,

In allen Lebensreizen frech zu schwelgen? –


Er zieht außer sich den Dolch.


Hin opfr' ich ihn! –

WAGNER fällt ihm in den Arm.

Bei Gott und allen Heil'gen!

FAUST wüthend.

Was Gott! – Hinweg! – Der soll sich ihrer freuen?

WAGNER hält ihn zurück.

Ihr wollt ermorden!

FAUST vordringend.

Eine Sünde erst!

Der Himmel ist damit zu leicht erworben!

WAGNER außer sich.

O was beginnt ihr!

FAUST nicht mehr seiner mächtig.

Fort! Ich tödte dich!

WAGNER.

Entsetzlich – schrecklich! – Weh', ich kann's nicht schauen!


Er stürzt fort.
[91]


Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 84-92.
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