Erste Scene.

[103] Faust. Der Fremde.


FREMDER kalt.

Ich sagte nichts, als ihre eignen Worte!

FAUST greift ihn heftig beim Arme.

Ha, Mensch!

FREMDER.

Seid nicht so wild; – ist's meine Schuld?

FAUST.

Zum dritten Male schon zurückgewiesen!

Ich trag's nicht länger – länger nicht!

FREMDER kalt fragend.

Nun denn?[103]

FAUST.

Ein Wort von mir – ich brauche meine Macht,

Und sie muß mein seyn!

FREMDER beißend.

Herrlicher Triumph –

Erzwung'ne Liebe – – durch der Hölle Beistand –!

Und ihr steht da, in Körperschönheit blühend,

Der feurige, der Faust!

FAUST beschämt und glühend.

Schau' mich nicht an!

Ich lästerte mich selbst! –


Wieder emporstürmend.


Doch trag' ich's nicht!

Beim Abgrund, länger nicht!

FREMDER schneidend kalt.

So ändert es!

FAUST.

Steh' nicht so schroff und unzugänglich vor mir! –

Wer bist du? Wer ist sie? – Was liegt im Wege?

FREMDER.

Drei Fragen – und in Einem Athemzuge! –

Wer ich bin? – Eine Altagskreatur,[104]

Am Thore hieß ich Ritter Ladislaw,

Das ist genug, wenn ihr auf Namen haltet!

Was sie betrifft, so darf ich mehr nicht sagen,

Als was ihr wißt: – sie stammt von linker Hand!

Das weitere bewacht ein Doppelschwur,

Den ich bei dem –!!


Mit einem wüsten Blicke gen Himmel deutend, ohne empor zu schauen.


und bei dem Teufel drunten,

Zu größrer Sicherheit ablegen mußte,

Weil man mich nicht ganz bibelfest vermeinte; –


Mit einem tückischen Lachen die linke Hand ausstreckend.


Was denn auch eintraf – wie Figura zeigt!

FAUST dringend.

Doch warum will sie mich nicht wieder sehen?

FREMDER die Achsel zuckend.

Wer weiß!

FAUST aufstürmend.

Ha, ist ein anderer vielleicht

An meiner Statt beglückt – – ein Nebenbuhler!!

FREMDER.

Ei, nicht doch![105]

FAUST.

Rede! Tödte mich nicht lächelnd!

Ist er's?


Fremder lächelt fort und scheint über etwas nachzusinnen.


FAUST emporfahrend.

Wer sprach hier Mord!?

FREMDER wie vorher.

Ich war es nicht!

FAUST blickt ihn schaudernd an.

Dein Lächeln brennt! – – Hinweg die Augen!

FREMDER lauernd.

Nun?

FAUST aufhorchend.

Zum zweiten Male – – Mord!


Wild.


Was soll der Zuruf! –

Ein Nebenbuhler!? – Nenn' mir seinen Namen! –


Mit tiefer dumpfer Wuth.


Ich würge ihn! –

FREMDER in sich hinein.

So ein Alltagesmord!

Der wiegt zu leicht für dich! –


Laut und ruhig.
[106]

Was stürmt ihr doch?

Sie liebte außer euch nie einen andern! –

Ihr selbst vielleicht seid euer Nebenbuhler?!

FAUST eindringend, indem er ihn halb umfaßt.

O rede! – Schling mich nicht in diese Räthsel,

Die ich vergeblich zu entwirren strebe;

Sie muß ich finden, oder mich verlieren!

FREMDER in einem erzählenden Tone.

Sie hängt das Köpfchen, seufzt aus tiefer Brust,

Die Feueraugen ziehen feuchten Thau,

Der Sonne gleich, die unter Wetterwolken; –

Ihr Schritt ist abgemessen, schwer und langsam,

Und wenn sie düster oft vor sich hinausstarrt,

Sind ihre Blicke voll so tiefen Grames,

Als hätte sie um eine Welt zu trauern!


Abbrechend und wie in einem Nachdenken sagend.


Ich fürchte, daß sie mehr von euch erfahren!!

FAUST ausschreckend.

Von mir – ha, sprecht! – Von dem verfluchten Bündniß?!


Zerschmettert.


O wehe – wehe mir!![107]

FREMDER rasch und aufzürnend.

Das mein' ich nicht!! –

Was sicht euch an – ha, seid ihr ganz von Sinnen?

FAUST außer sich.

So gieb mir Wahrheit!

FREMDER indem er ihn wild zur Seitenthür hinstößt.

Fragt sie selbst – zum Teufel!


Er geht ab.


Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 103-108.
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