Der Fürst und sein Kebsweib

[131] Kebsweib.


Warum wirst du so ernst?


Fürst.


Was fragst du wich? geuss den Kristall mir

Voll des blinkenden goldenen Weins!


Kebsweib.


Aber du nimst ihn ja nicht.


Fürst.


Was quälst du mich! Wecke der Laute

Leisesten Ton, und singe dein Lied.


Kebsweib.


Ach ich sang, und du hörtest mich nicht.


Fürst.


Du hättest gesungen?

Eile jetzt, dort Rosen zu streun.


Kebsweib.


Rosen sollt' ich streun, dass du sie nicht sähest? Was gehn dich

Jetzo Lieder, was Rosen dich an!

Hör', es wiehert unten dein Ross, aus der Burg dich zu tanzen

Zu der Schaar, die Schlachten uns spielt,

Zu der Jünglinge Reihn mit blankem Gewehr, das dem Blitz gleicht,

Wenn sie, mit rascher Eile, sich drehn.[132]

Warum wirst du noch ernster, da ich die Krieger dir nenne?

Trüber als erst? sinkst tiefer in Gram?

Warum blickst du so wild? Was siehest do? siehst du Erscheinung?

Nahet dir eine Todtengestalt?


Fürst.


Keine Todtengestalt, der abgeschiedenen Geister

Keiner, aber dennoch ein Geist,

Ha der schreckliche Geist der Freiheit, durch den sich die Volker

Jetzt erfrechen zu sehn, was sie sind!

Welcher Zauber beschwört, und bant ihn hinab in des stummen

Kerkers Nacht, aus welchem er kam?

Weh mir! wo ist, der sich, an den hundertarmigen Riesen,

Hundertäugigen Riesen, sich wagt?


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 131-133.
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