Nacherinnerung an die Leser.

[269] Wem es bey einem Roman blos auf gehäufte Begebenheiten ankommt, dem wird der erste Theil dieses Büchelchens nicht genuggethan haben. Ich habe Sie erst müssen mit denjenigen Personen bekannt machen, denen der junge Hohenau, dessen Schritte ich künftighin verfolgen werde,[270] seine Bildung und Richtung zu danken hat, ehe ich weiter fortrücken konnte. Geschichtgen zu ersinnen, ist auch übrigens eine sehr kleine Kunst, aber ich denke: es ist einem forschenden Manne angenehmer zu beobachten, warum der Mensch so und nicht anders gewandelt ist, als blos hinter ihn her, eilig durch die ganze Welt zu laufen, ohne zurückzusehen. Noch belieben Sie zu bedenken, daß alles, was ich Ihnen hier erzählt habe, wahre Begebenheiten sind. Also bin ich ausser Schuld, wenn das Schicksal dieselben nicht interessant geung verwebt hat – Freylich hätte ich sie alsdenn nicht erzählen müssen – Doch davon will ich Ihnen, mein Herr! auch den Grund sagen: Ich denke nemlich, eine wahre Geschichte sey immer mehr werth als eine erdichtete, und da die mehrsten unserer deutschen Romane uns Bilder liefern, welche nur für eine gewisse Classe von Menschen interessant sind, als für Gelehrte, empfindsame Mädgen, Studenten u.s.f. Scenen[271] aus der großen Welt hingegen uns sehr darinn mangeln; so wollte ich deren hier einige ausstellen. Sind dieselben aber schlecht gemalt; so nehmen Ew. Excellenz und Gnaden doch vorerst damit vorlieb, bis Sie bessere, von grösseren Künstlern, erhalten.[272]

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 2, Riga 1781–1783.
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