Vierzehnter Brief.

An den Freyherrn von Leidthal in Urfstädt.

[134] Maynz den 26sten Julius 1770.


Alles geht gut hier, mein bester Herr! Meine Ausrichtungen scheinen geschwinder eine glückliche Wendung zu nehmen, als ich voraus vermuthen durfte, und obgleich mir zuerst manche Leute viel in den Weg legten; so hoffe ich doch in wenig Tagen schon den churfürstlichen Befehl zu Erlösung unsres lieben Gefangenen in die Hände zu bekommen; Eher habe ich nicht schreiben wollen. Gottlob! daß der beste Fürst, der niemand gern in seinem Lande gekränkt sieht, dergleichen Mißbräuche der Gewalt nicht billigt.[134]

Durch die beyliegenden Abschriften meiner desfalls gehabten Verhandlungen1 werden Sie, mein theuerster Herr! am besten von allem unterrichtet werden können – Kurz! der gute arme Herr hat seine Freyheit, sobald erwiesen werden wird, daß die von mir angeführten Umstände wahr sind, und die Untersuchung wird dem Geheimenrath von ... aufgetragen werden – Wenn nur nicht der Tod sich vorher ins Mittel schlägt! –

Mein Herz ist getheilt unter Freude und Unruhe. Allerley Nachrichten, die ich von Göttingen bekommen, haben mich heftig erschreckt. Dem jungen Herrn von Hohenau hat die Liebe den Kopf mehr als jemals umgekehrt. Ein Brief, den mir derselbe geschrieben, sagt mir das schon deutlich genug, denn er klagt darinn über unempfindliche kalte Menschen; findet die ganze Welt verdorben,[135] entfernt vom geraden Wege der Natur; findet es abscheulich, daß ein Mensch dem andern, des leidigen Gewinstes wegen, dienen solle. Warum kann man nicht, an der Seite eines treuen Weibes, im ersten patriarchalischen Zustande, sein Feld bauen, sich der wonnevollen Natur freuen, und fern von Städten so in Unschuld und Ruhe dahinwandeln? – So ist sein ganzer Brief, und zugleich habe ich durch einen Freund erfahren, daß er zwey Tage von Göttingen abwesend gewesen ist, die er vermuthlich auf Hundefelds Gut zugebracht, oder nur als ein klagender Schäfer, in den Fluhren umherirrend, nach dem Kirchthurm hin geseufzt hat, der die Ehre genießt täglich von seiner Schönen angesehn zu werden –

Ich weiß mir nun wahrlich nicht zu helfen. Soll ich ihm itzt seinen Vater entdecken; so fürchte ich, daß so viel starke Gefühle seiner Seele überspannen und seinen Kopf verwirren. Rathen Sie mir, gnädiger[136] Herr! Ich reise den 3ten August gewiß von hier ab, und hoffe sehnlichst in Göttingen einen Brief mit Verhaltungsbefehlen zu finden, der ich mit treuer Ergebenheit bin,


Ihr

unterthäniger Diener

Meyer.

Fußnoten

1 Diese finden sich nicht.


Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 2, Riga 1781–1783, S. 138.
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