Fünf und zwanzigster Brief.

An den Herrn von Hohenau in Göttingen.

[206] Urfstädt den 6ten October 1770.


Seit vierzehn Tagen bin ich hier bey Ihrem lieben Pflegevater, und auf seinen Befehl schreibe ich Ihnen eilig diese Zeilen, um Sie zu bitten, nun nicht nach Urfstädt zu kommen, bis Sie oder der Herr Meyer anderweitige Briefe von hieraus bekommen werden.

Die Umstände hier haben sich verändert – Unterdessen kann ich Ihnen darüber noch nichts gewisses sagen, als daß Sie Sich gefaßt machen mögen, sehr wichtige Nachrichten zu vernehmen.[206]

Bereiten Sie Sich also vor, diese Nachrichten, die nicht die angenehmsten sind, mit Muth zu ertragen – Gesund ist unser würdiger Leidthal, und ruhig ist er auch – Das muß Ihnen ein Trost seyn, und für das Uebrige wird der Himmel sorgen, der Sie gewiß nicht verläßt. Geduld ist ein schweißtreibendes Mittel, ich weiß es wohl; Es stärkt nicht, aber es lindert doch – Wafnen Sie Sich auch damit –

Es wäre zu viel verlangt, wenn man in dieser Welt immer seine eitlen Wünsche wollte befriedigt sehen. Wenn man aber nur stets als ein Mann, und als ein redlicher Mann handelt; so ist alles übrige leicht zu ertragen. Auch wendet sich früh oder spät das Glück wieder auf unsre Seite.

Sie sind noch jung, haben Talente, und einen guten Kopf. Sollte Sie alles verlassen; so werden Sie damit gewiß in der Welt Ihren Weg machen.[207]

Mehr kann ich Ihnen heute nicht sagen; der Baron Leidthal ist in der Stadt – Seyen Sie ruhig; Es wird vielleicht alles noch besser gehn, als es itzt scheint.

Ich bin mit wahrer Freundschaft


Ihr

ergebenster

v. Weckel.[208]

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 2, Riga 1781–1783, S. 206-209.
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