Ein und dreyßigster Brief.

An den Herrn von Hohenau Hochwohlgebohren, gehorsamst, in Göttingen.

[228] ... den 10ten December 1770.


Hochwohlgebohrner Herr!

Hochvenerirlicher gnädiger Gönner!


Ew. Hochwohlgebohrnen Gnaden soll auf hohen Befehl unseres gnädigen Fräuleins devotest berichten, was maaßen unsere gnädige Herrschaft vor gut befunden, Dieselben ganz unerwarteterweise von hier abholen zu lassen.

Es kamen nemlich vorgestern, als den 8ten hujus, ehe man sichs versahe, so zu sagen, die Frau von Donnergund, als[228] die gnädige Frau Schwester unseres Herrn, in ihrer großen alten Reise-Chaise gefahren. Es schien eine verabredete Carte zu seyn, denn kaum waren sie in die Stube getreten, als sie folgendergestalt anhoben: »Mon Frère! Ihr müßt mir eine Bitte nicht abschlagen« und als der gnädige Herr darauf ihre Cavaliers-Parole gegeben hatten, bath die Frau Schwester um die Erlaubniß, Dero Fräulein Nichte mit sich nach Donnergrund nehmen zu dürfen. Es wurde diese Proposition sogleich acceptirt, und obgleich unser liebes Fräulein alle Register so zu sagen anzogen, um diesen unangenehmen Casum zu hintertreiben; so wurden doch ihre Bemühungen frustrirt, und sie mußten heute mit dahin.

Unterdessen aber wurden das gnädige Fräulein immer so bewacht, daß es nicht möglich war, etwas an Ew. Hochwohlgebohrnen Gnaden zu Papier zu fertigen, doch hatten Sie Gelegenheit mir, während[229] ich Denenselben die musicalische Unterweisung, sowohl in der Fertigkeit auf dem Clavicordio, als auch in den Regulis des General-Basses gab, den Auftrag zu ertheilen, Hochdenenselben und dem jungen Herrn von Hundefeld, dies eiligst jedoch heimlich zu melden, welches denn zu befolgen nicht verfehlen, und in schuldigem Respect verharren wollen,


Hochderoselben

submissester Knecht

Gerhard Aloisius Klingenberg

p.t. Schullehrer und Organist in ...[230]

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 2, Riga 1781–1783, S. 228-231.
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